Into the Mighty Forest oder Black Metal und der Wald – Eine (un)heilige Allianz Part III

Into the Mighty Forest Part III

Rezeption im aufkommenden Black Metal

So, nach dem ganzen scheiß Gelaber und pseudodidaktischer Aufarbeitung steht im letzten Teil die Musik im Vordergrund! Diesmal reisen wir nicht allzu weit zurück, nämlich in die frühen 90er und begegnen ungezügelter musikalischer Rohheit, mit welcher damals ein neues und gleichwohl das extremste Kapitel der Metal-Geschichte eröffnet wurde. Müsste ich 5 Songs auswählen, die wie Arsch auf Eimer zu diesem Thema passen, wäre Satyricons Track „Into the Mighty Forest“ mit dabei.

Warum aber wurde der Wald bzw. eine dunkle Naturmystik erst ab der zweiten, durch die norwegische Szene initiierte Welle ein wichtiges Thema? Tatsächlich finden sich bei Bands der 80er Jahre, welche mit Satanismus kokettierten (Venom und Hellhammer) oder eine mehr oder weniger primitive Teufelsanbetungs-Szenerie darboten (Bathorys Frühwerke) keine Assoziationen mit Wald und Wildnis. Erst die Norweger haben da audiovisuelle Verbindungen zu dem Thema geknüpft. Aber nicht nur sie; betrachtet man vor allem die osteuropäischen Veröffentlichungen der Frühphase der „zweiten Welle“, steckten diese auch noch sattelfest in einem dunklen Heidentum, während ihre Initiatoren im Schoß dunkler Wälder posierten. Fast allen Black-Metal-Bands in der ersten Hälfte der 90er und darüber hinaus war eine gewisse Rezitierung alter Götzen im Kontext einer dunkel beseelten Natur gemein. Meistens – auf mehr oder weniger fundierte Art und Weise – mit satanischen Attributen verbunden. Als böse Band musste man ja auch über Satan singen, der war ja immer noch voll böse damals… ne? Ich behaupte aber mal, der Black Metal der frühen 90er konnte ohne eine entsprechende Naturkulisse nicht entstehen (ist vor allem in seinem extremen Sound eine akustische Umsetzung dieser), und so sehr die ein oder andere Band den Fokus auf einen wie auch immer gearteten Satanismus oder den Versuch einer Synthese aus satanischen und vorchristlichen Motiven wagte – der Kampf gegen das Christentum fand und findet seine Entsprechung in der ungezähmten, als gottlos erachteten Natur (zumindest der Christengott waltet dort nicht). War es bei den skandinavischen Bands die dunkle Erhabenheit schroffer Fjells, Fjorde und Fichtenwälder (Darkthrones „Snø og Granskog“) – eben die raue Natur Norwegens – fanden ost- und mitteleuropäische Bands ebenso ein Refugium für ihre musikalische Revolution in heimischen Waldlandschaften der gemäßigten Breiten – dies natürlich im Schutze der Nacht. Jene Parallele habe ich bereits im zweiten Teil aufgezeigt.

Welcome to the elder ruins again…

…the wind whispers beside the deep forest… – oh ja, wie oft habe ich diese Zeilen schon mitgeraunt. Und obwohl Mayhem von den alten Klassikern am wenigsten mit Naturmystik zu schaffen hatten bzw. haben (obwohl Attila ein sehr naturinteressierter Typ zu sein scheint), findet das abschließende Ritual auf „De Mysteriis Dom Sathanas“ in der bevorzugten Szenerie eines finsteren Waldes statt. Paradebeispiel für meine in dieser Abhandlung erörterte Synthese bieten die seit den frühen 90ern einem dunklen Heidentum verfallenen (und von mir abgöttisch geliebten) Hades, wo z. B. bei der „Unholy Congregation“ ebenfalls ein Marsch in den dunklen Wald am Beginn einer „Hexenzeremonie“ steht. Hier noch ganz aus christlich verbrämter Perspektive erzählt, wonach man sich den Hexensabbat als eine Kombination alt-heidnischer und proto-satanischer Motive zu einer schwarzen Messe inmitten der Natur vorstellte. Bei der Demo-Aufnahme „The Forest Is My Throne“ von Satyricon handelt es sich wider Erwarten um keine direkte Ode an den Wald an sich, sondern um ein martialisches, antichristliches Motiv – allerdings inmitten einer unbefleckten und dunklen Landschaft. So auch bei „Our Lord Will Come“ von Isengard: „We live for the woods and the moon and the night” tönte Fenris in seinem geilen Projekt. Fast überall und eng damit gekoppelt erscheint das nokturne, pseudosatanische Paradigma, so z. B. auch bei Darkthrone. Ähnlicher Fall, allerdings ohne teuflische Anspielung, in Burzums „Feeble Screams from Forests Unknown“: Es ist die Landschaftskulisse, in welcher eine alte Seele die Reinkarnation vergeblich sucht. Emperor dürfen natürlich nicht fehlen und haben mich damals schon mit ihrem Debüt fasziniert. Diese nicht mehr erreichte, dichte und atmosphärische Musik wurde durch Cover und Layout komplettiert, und auch hier bewegt man sich in einem phantasmagorischen Reich der nächtlichen Wälder und norwegischen Natur. Emperor schafften es, ganze Landschaften zu beschwören. Gorgoroth, alte Gehenna und Ancient („Svartalvheim“ und „Trolltaar“) sind für mich weitere Referenzen. Gerade der Song „Eerily Howling Winds“ von Ancient reiht sich thematisch und akustisch in die dunklen Hymnen an die (nordischen) Wälder ein, während das ganze Album „Svartalvheim“ eine Vertonung einer vom Lagerfeuer beschienenen Nacht unter Bäumen darstellt (und wo ich schon dabei bin – Ancient und noch ’n Bier aufgelegt). Darkthrone gelten als eine meiner essentiellen Bands und den Großteil ihrer frühen Diskographie habe ich – ähnlich wie die ersten drei Ulver-Alben – während meist berauschter „Waldstolpereien“ in der Dämmerung oder nachts ergründet (da zündet quasi etwas, „A Blaze in the Northern Sky“; ich lege aber mal die „Preparing for War“ ein). Über die Jahre haben Darkthrone auch immer noch diese „unterholzige“ Aura behalten. Obwohl schon aus dem Black Metal emanzipiert, bevor dieser von einer breiteren Masse erst zur Kenntnis genommen wurde, ist Ulvers „Bergtatt“ natürlich essentiell für viele nachfolgende Bands, die Wald- und Naturromantik mit metallischen bis hin zu folkloristischen Klängen verweben (ich klammere die meisten eher mit peinlichem Pathos geschwängerten Pagan-Bands aus).

Die ersten Arckanum-Alben sind in Schwedens dichten Wäldern zu Hause. Sie drehen sich, wie wir wissen, komplett um Pan als die Verkörperung der Wildnis, in welcher Shamaatae in seinem Troll-Outfit umherschlich. Und auch später, in der chaos-gnostischen Phase Arckanums, fand besagter Interpret den Ausdruck thursischen Wirkens in den schwedischen Wäldern. Die Entwicklung von Carpathian Forest verlief, wie man ja weiß, sehr ungewöhnlich (durch die „Machtübernahme“ von Nattefrost?); die Band startete aber mit schleppend-morbiden, rohen, atmosphärischen bis hin zu verträumten Klängen der Demos und der ersten EP. So sehnt sich das schwache Herz des Protagonisten in „Journey Through the Cold Moors of Svarttjern“ nach den Wäldern. Auch hier wieder die Kombination optisch grobkörniger, schwarz-weißer Schratigkeit und ihrer Entsprechung in Stimmung und Sound.

Ausgelutschtes Skandinavien

Doch natürlich wurde auch außerhalb Skandinaviens dem Wald gehuldigt. Cradle of Filth (jaja, voll „untrve“ und so – drauf geschissen; die ersten zwei Alben sind geil!) beschwören in „The Forest Whispers My Name“ vom Debütalbum die von mir bereits beschriebene, von dunklen Geistwesen und dämonisierten Göttern belebte Anderswelt, inmitten einer finsteren Waldkulisse. Auch die Landsleute von Hecate Enthroned benannten ihr erstes Demo mit „An Ode for a Haunted Wood“. Im schon längst entwaldeten Irland ließen Primordial 1994 mit „Imrama“ und davor mit ihren Demos die alte, keltische Tradition im Mantel einer finsteren Black-Metal-Collage auferstehen. In „To Enter Pagan“ wisperten ähnlich wie bei Cradle of Filth auch hier die Bäume den Namen des Protagonisten. Viel weiter südöstlich, allerdings schon Ende der 80er, vertonten die stets verehrten Tormentor im Song „Transylvania“ eher an einen Reisebericht anmutenden Text: Next to Carpathians lays Transylvania, with its beautiful forests, and fields, and rocks, and rivers. Zu nennen sind unbedingt die Frühwerke Behemoths („And the Forests Dream Eternally“ habe ich wohl auch schon tausendmal erwähnt und noch öfter gehört) und Sacrilegiums „Wicher“; auch alte Graveland sind für unser Thema relevant (nicht unbedingt musikalisch, außer evtl. „Thousand Swords“). Das Demo „Drunemeton“ von 1992 enthält aber schon im Titel das Waldheiligtum. Und wahrscheinlich weniger im Mainstream bekannt, vertonte auch der ganze Blazebirth-Hall-Zirkel – die faschistoiden Züge mal ausgeklammert – eine dunkel-charmante „Waldheimelei“; so führten Bands wie Forest, Branikald oder Raven Dark den repetitiven Black Metal nach burzumschen Vorbild weiter. Deutschsprachige Black-Metal-Bands im weiteren Sinne haben für mich eher einen „intellektuellen“ Zugang, was irgendwie dem Erbe des Zeitalters der Romantik und Sturm und Drangzeit entgegenkommt. Ich assoziiere eher Waldkultur im Sinne von solitären Charakterbäumen, Baumgruppen, gemalten Landschaften mit Bands wie Nagelfar, Bergthron, Dornenreich oder Nocte Obducta (Empyrium zähle ich eher explizit zum Neofolk oder was auch immer…). „Hünengrab im Herbst“ ist ebenso ein Beispiel aus Synthese von Cover und Musik, genauso wie die schon sehr früh praktizierenden Moonblood.

Fazit

Wir haben im ersten Teil vorrangig die prähistorische und sozio-kulturell innige Beziehung zwischen Wald und Mensch herausgestellt und können diese zumindest als ambivalent, auf jeden Fall aber prägend für unsere Entwicklung bis heute ansehen. Die Betrachtung des Waldes als ein heiliger Ort (natürlich schon immer auch als Ressource genutzt) über eine Verteufelung bis hin zu einer reinen Degradierung als Nutzungsobjekt bis heute ist sicherlich fließend und nicht unbedingt stringent, denn die Sehnsucht zu den Wäldern hat sich bis heute erhalten. Im zweiten Teil, mit Fokus auf die christlich-abendländische Geschichte, konnten wir resümierend festhalten, dass der Wald oftmals ein vom christlichen Gesetz unberührtes bzw. entgegenstehendes Refugium darstellte, in welchem Ausgestoßene, verfolgte Tiere, Rebellen und Rechtlose, Anders- und Altgläubige, heidnische Götter und verteufelte Geister verschiedener Kulturen ihr Unwesen trieben. Als Keimzelle für die Auflehnung – martialisch gesprochen natürlich für den Krieg – gegen das Christentum waren und sind tiefe, dunkle Wälder für den Black Metal inspirierend und prädestiniert. Dies wurde allerdings erst zu Beginn der 90er in verschiedenen, internationalen Szenen offensichtlich, während man im Genre-Mix der 80er kaum eine Band im extremen Bereich findet, die sich inmitten einer Waldeskulisse schmückte. Evtl. war das fast überall vorhandene okkulte und satanische Kokettieren eher mit einer urbanen Ausrucksform vereinbar. Mit Entwicklung des Black Metals erfolgte aber gerade in der ersten Hälfte der 90er vielerorts eine Verwurstung pseudosatanischer und sinister/heidnischer Themen bzw. vorerst eine meist unreflektierte Übernahme der christlichen Perspektive. Viele lyrische Motive behandeln satanische Rituale, die Beschwörung alter dämonisierter Götter und Geister im Schutze finsterer Wälder oder eine fast schon der Romantik entsprungene (natürlich tiefschwarze) Waldsehnsucht. Und das ist mein Stichwort: Bier geschnappt und „Into the Mighty Forest“!