Ulrike Serowys Erzählung „Skogtatt“ mag zwar nicht mehr ganz druckfrisch sein, aber die dort in Worte gefasste, dem Black Metal, welcher zweifelsohne als eine der extremsten aber auch emotionalsten Musikausrichtungen überhaupt angesehen werden darf, innewohnende Treibkraft ist nach wie vor so aktuell wie die Geburt eben jener. Es geht um den Kerngedanken, oder vielmehr um das Kerngefühl, da der Black Metal sich auf rationaler Ebene womöglich gar nicht zufriedenstellend erklären lässt, welches zur Entstehung dieser von vielen als „böse“ bezeichneten Musik geführt haben mag. Oder definitiv geführt haben muss! Denn die Leser, die selber den Black Metal lieben, werden, wenn sie tief ins Innerste ihrer Seele lauschen, in dieser Novelle sicherlich viele Parallelen zu ihren eigenen persönlichen Gefühlen ausmachen können. Da Ulrike Serowy aus der dunklen Metal-Szene kommt, wenn man es so beschreiben darf, weiß sie folglich sehr gut, worüber sie schreibt.
Das Gefühlte ist in eine Kurzgeschichte über einen Black-Metal-Gitarristen verpackt, dessen Wagen auf dem nächtlichen Nachhauseweg von einer Probe plötzlich den Geist aufgibt, so dass er sich nun ganz allein auf sich gestellt mitten im dunklen und kalt-winterlichen Wald wiederfindet. Was anfangs noch mit einer schönen, wie in der Musik beschworenen, naturromantischen Vorstellung einhergeht, wird alsbald zu bitterem Ernst. Der namenlose Protagonist, welcher sich dadurch sogar mit jedem einzelnen Black-Metaller bzw. dem Leser austauschen lässt, knickt in der Dunkelheit um und verletzt sich am Fußgelenk, er schafft es nicht mehr in den sicheren Schoß der Zivilisation zurück und findet schlussendlich den Kältetod. Nicht unbedingt eine allzu schöne Vorstellung, oder etwa doch?
In ihrer Musik beschworen sie die Dunkelheit; das Abgründige; Tod und Vernichtung, das Erhabene des Dunklen. Mit Rauschen, Sägen, Brüllen, Schreien, mit Lauten, die jenseits des Verständnisses der meisten Menschen lagen. Mit drängenden, zerrenden, minimalen Melodien, tausendfach aufgesplittert in tausendfache Saitenanschläge und verzerrt bis zur Hässlichkeit, deren spröde Schönheit nur für wenige erkennbar war. Mit diesen entstellten Anrufungen wollten sie das Unaussprechliche zum Ausdruck bringen, wollten das fassen und begreifen, was an ihren Herzen und Seelen zerrte. Jetzt war er diesem Unnennbaren ganz nah. Das Dunkle war zu ihm gekommen. Nein; er hatte gerufen und war gehört worden. Und die Angst hatte ihn angerührt wie eine schwarze Hand.
Der Widerspruch zwischen dem Black-Metal-Wunschdenken und der unerbittlich harten Realität wird hier ganz deutlich herauskristallisiert. Folglich ist dieses kleine Buch, das übrigens sowohl auf Deutsch wie auch auf Englisch verfasst ist, viel mehr, als bloß eine kleine Black-Metal-Geschichte. Wie weit würde der Leser wirklich gehen wollen, ist eine unausgesprochene Frage, die hier in der Luft hängt. Ist der Wunsch seine Menschlichkeit abstreifen zu können, weil man sich für die menschlichen Verbrechen an der Natur und die allgemeine Rücksichtslosigkeit, Gier und Dummheit der zivilisierten Welt schämt, stärker als die eigene Angst vor dem Tod? Würde man diesen für seine Ideale mit Freude hinnehmen und auf diese Weise eine Rückkehr zur Natur erfahren wollen? Kann jemand diese Frage mit einem klaren Ja für sich selbst beantworten? Gibt es wirklich diesen Ernst im Black Metal, oder sind das alles nur leere Worte? Derartige Fragestellungen muss ein jeder mitten in seinem Herzen erforschen und sich selbst die Antwort darauf geben. Der Zwiespalt zwischen den angeborenen Urinstinkten und der anerzogenen Sicherheit der Zivilisation, dem Abkapseln von den lebensspendenden wie todbringenden Kräften der Natur, hier durch ein vermeintlich schützendes Auto visualisiert, ist sicherlich ein Hindernis zu der absoluten Wahrheit, zu der unfassbaren Kraft in der Dunkelheit des Lebens, die mittels der extremen Musik Black Metal von (vor allem jungen) Menschen gesucht wird. Wer sich von der Angst des Todes, dem im Black Metal stets eine zentrale Rolle zukommt, loszulösen vermag, der wird, ähnlich den Praktizierenden des Weges des Krieges, viel mehr offenbart werden. Und Black Metal ist auch Krieg, wenn auch nur auf akustischer Ebene geführt, eine Art laute Revolution gegen all das, was als falsch empfunden wird…
Wer sich nun angesprochen fühlt, der sollte sich unverzüglich ein Exemplar von „Skognatt“ sichern, am besten ein signiertes direkt über Ulrike, falls sie noch einiges auf Lager liegen haben sollte. Das optisch wie haptisch sehr schön aufgemachte Buch, welches von der Künstlerin Faith Coloccia sehr stimmig in schwarz-weiß illustriert wurde, macht sich in jedem Regal gut als Blickfänger.
Ulrike Serowy’s tale „Skogtatt“ isn’t hot off the press anymore, but the indigenous force of black metal (which is one of the most extreme and also emotional music styles without a doubt), that is composed only through words, is still up-to-date. It’s about the central idea, rather of the central feeling, since you can’t really explain black metal on its rational level, which may have led to the appearence of this – by many described as „evil“ – music. Or definitely must have led! Readers who love black metal themselves and will listen deep inside of their soul, will certainly be able to determine many parallels to their own personal feelings in this novel. Since Ulrike Serowy comes from the dark metal scene, if one can describe it this way, she knows what she’s writing about very well.
The feeling is wrapped up in a short story about a black metal guitarist whose car suddenly had a breakdown on the way back home from a band rehearsal. Now he finds himself alone in a dark and cold winter forest. What first looks like a beautiful, nature romantic imagination, as evoked in his music, soon becomes deadly serious. The nameless protagonist, who can thereby even be exchanged with every black metal fan or the reader, bends around in the dark and injures his ankle, he’s now no longer capable to return to the safe harbour of civilization and finally dies by hypothermia. Not a nice thought, isn’t it?
In their music they called forth the dark; the bottomless deep; death and destruction, the grandeur of darkness. They roared, sawed, shouted, shrieked, they made sounds beyond most people’s comprehension. They used urgent, distorting, minimal melodies, shattered into a thousands of pieces by thousands of guitar chords, twisted to an ugliness whose harsh beauty only a very few could see. Their grotesque invocations strove to say what could not be spoken, to grasp whatever it was that gnawed at their hearts and tore at their souls. Now he was very close to this unnameable thing. The darkness had come to him. No; he had called, and been heard. And fear had touched him like a black hand.
The contradiction between desires found in black metal and the relentlessly hard reality is clearly crystallized here. Therefore this little book, written in German and English, is much more than just a little black metal story. How far would one really go? This is an unspoken question, which appears right before ones eyes. Is the desire to be able to strip away humanity, because being ashamed of human crimes against nature and general recklessness, greed, and stupidity of the civilized world, stronger than your own fear of death? Would you accept death for your ideals and experiencing return to nature in this way with pleasure? Can someone answer this question with a definitely yes? Is there really such a seriousness in black metal or are these just empty words? Such questions must be explored by everyone in the middle of their hearts and answered as well. The discord between primary instincts and the acquired security of civilization, the encapsulation of life-giving and deathly forces of nature, visualized by a supposedly protecting car, is certainly an obstacle to absolute truth and the incomprehensible force in darkness of life, which is sought by (especially young) people through extreme music called black metal. Those who are able to free themselves from fear of death, which always has been a central part in black metal, will be revealed much more likewise practitioners of the way of the warrior. Black metal is also war, but it’s on an acoustic level, a kind of noisy revolution against all that’s perceived as wrong…
If you are interested, you should immediately grab a signed copy of „Skognatt“ directly from Ulrike, if she still has some more books in stock. It’s a beautiful (visually and also in a haptic way) crafted book, which is illustrated very harmonious in black and white by the artist Faith Coloccia and presents itself as an eye-catcher in every shelf.