Salut Alexander! Als erstes eine Frage, die mir auf der Seele brennt: Wie zum Henker seid Ihr auf den Jenseitstroll gekommen? Deine Erfindung? Eine Hommage an das trollig-pagane Label Einheit Produktionen womöglich, Eure derweilige musikalische Heimat? Oder hast Du vielleicht schon mal im Traum die Bekanntschaft mit ihm machen dürfen?
Weder noch. Das ist keine Erfindung meinerseits, kein Traum und auch keine Hommage an Einheit Produktionen, sondern ein Wesen, das mir bei den Recherchen für die Albumtexte begegnet ist. Genau genommen in Literatur zum Thema Astralreisen. Es gibt einen Astralreisenden, der tatsächlich behauptet, von solch einem jenseitigen Troll für ein paar Wochen oder Monate regelmäßig heimgesucht worden zu sein. Dieser habe sich jedes Mal an seinen Rücken gekrallt und sei einfach mitgereist durch die jenseitigen Gefilde. Tendenziell ungefährlich wohl, aber mit der Zeit ein bisschen anstrengend (grins). Wie immer bei solchen Themen kann man den Wahrhaftigkeitsgehalt als Außenstehender nicht nachprüfen, aber ich fand die Idee prädestiniert für EwiG, so dass sie unbedingt noch den Weg in unser Konzept finden musste. Hinzu kam, dass Kalila den Wunsch geäußert hatte, auf dem Album Mandoline spielen zu wollen. Daher habe ich ihr diesen Song quasi noch maßgeschneidert.
Was hat Euch zu so einem Konzeptalbum bewogen? Und habt Ihr Euch mit dem Thema der Todesreise ernsthaft auseinandergesetzt, sprich irgendwelche wissenschaftlich-philosophische Bücher oder gar Erfahrungsberichte von kurzzeitig Verstorbenen bzw. Wiederbelebten dazu gelesen, oder einfach nur alle Gedanken zusammengetragen, die Euch dazu eingefallen sind?
Ich habe über die Jahre sehr viel zu dem Thema gelesen, ob esoterische oder – so weit das möglich ist – wissenschaftliche Literatur. Nicht nur als Recherche, sondern natürlich auch aus privatem Interesse, da mich die Faszination für alles, was mit dem Tod und dem möglichen Danach zu tun hat, schon seit ich denken kann begleitet. Anführen kann ich Autoren wie Elisabeth Kübler-Ross oder Raymond A. Moody, die über viele Jahre Sterbende begleitet haben und in empirischen Forschungen die Gemeinsamkeiten derer Nahtoderfahrungen zusammengetragen haben. Erstaunlicherweise gibt es einige Erlebnisse, die unabhängig vom Glauben und Kulturkreis bei allen Menschen auftauchen. Ein paar dieser Details sind in die ersten beiden Songs „TraumTod“ und „Bon Voyage“ eingeflossen. Aber natürlich ist das ganze Album auch mit einer gewaltigen Portion Phantasie gewürzt, denn bei solch einem Thema kann man eh keinen Anspruch auf Authentizität erheben.
Der Kreislauf der Wiedergeburten ist eigentlich das zentrale Thema von „Na(c)htodreise“, was spätestens nach dem Outro jedem Hörer klar sein müsste. Glaubst Du an eine nie enden wollende Odyssee des von der Materie losgelösten Geistes?
Ich möchte betonen, dass wir die Interpretation der Geschichte offen lassen wollen. „Na(c)htodreise“ ist ja nicht zuletzt aufgrund des Titels mehrdeutig zu verstehen. Reinkarnation wäre eine mögliche Deutung, klar. Es könnte aber auch einfach nur ein wilder Traum gewesen sein, denn wir maßen uns nicht an, die Deutungshoheit über Leben und Tod an uns zu reißen. Schließlich sind wir keine Philosophen oder Propheten sondern Künstler, und unsere oberste Prämisse ist es zu unterhalten. Daher soll „Na(c)htodreise“ auch für Atheisten und Agnostiker bekömmlich sein, die nicht mit einem Leben nach dem Tod rechnen. Was mich angeht, ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Reinkarnation gibt. Ich habe mal ein Buch gelesen, in dem ein Wissenschaftler unzählige Fälle zusammengetragen hat, die eigentlich nur mit Wiedergeburt zu erklären sind („…früher, da war ich mal groß. Und…“von Dieter Hassler). Das fand ich schon sehr beeindruckend, auch wenn es natürlich immer sein kann, dass noch eine andere Erklärung zutreffend sein kann. Daher bin ich mittlerweile vorsichtig mit definitiven Aussagen und lasse mich einfach überraschen.
Findest Du es nicht seltsam, dass gerade der Tod so eine große Faszination auf den Menschen ausübt? Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Menschen im Laufe ihres Erdendaseins hundertfach mehr Todesarten für Ihresgleichen ersinnt haben als es lebensspendende Befruchtungsstellungen im Kamasutra und ähnlicher Fachliteratur gibt. Das ist doch seltsam, oder?
Ich finde das nicht seltsam. Ich meine, die Vorstellung, dass wir eines Tages sterben werden, ist doch solch ein großes Mysterium, dass es schwer ist, das einfach gelassen hinzunehmen und nicht zu spekulieren, was es damit auf sich hat, oder? Das wiederum schließt für mich aber nicht aus, dass man sein Leben auskostet und gedanklich im Hier und Jetzt ist. Und für mich macht es auch einen Unterschied, ob man ein Interesse an einem möglichen Jenseits hat oder ob man sich zeitlebens hunderte mögliche Todesarten für sich selbst ausmalt. Letzteres klingt für mich eher wahnhaft, ersteres ist einer gesunden Neugierde zuzuschreiben, meine ich. Ich finde es merkwürdig, dass es so viele Menschen gibt, die dieses Thema so gekonnt verdrängen, dass sie sich gar keine Gedanken dazu machen.
Mit „Na(c)htodreise“ bewegt Ihr Euch mehr im Metal-Gefilde als auf Euren anderen Alben, vom zehnten Western-artigen Song mal abgesehen. Werdet Ihr diesen Kurs in Zukunft beibehalten, oder war das jetzt eine Ausnahme?
Auch hier möchte ich widersprechen. Ich habe EwiG schon immer als Metal-Band gesehen, aber wir haben uns seit jeher die Freiheit genommen, verschiedenste Einflüsse zu verarbeiten und auch mal einzelne Songs oder gar Alben („Der Herbst des Einsamen“ oder das akustische Album „Nachtidyll“) zu machen, die nicht unbedingt typisch nach Metal klingen. Wir sind zu vielfältig beeinflusst, als dass wir uns limitieren möchten. Schubladen oder Scheuklappen waren nie unser Ding. Aber auf unseren regulären Alben gibt es aus meiner Sicht immer diverse typische Metal-Tracks. Auf dem Vorgänger „Geysterstunde II“ fallen mir spontan „Nachtexpress nach Nirgendwo“, „Aurelia“ oder „Die Sage von der weißen Frau“ ein, die sehr gut nach vorne preschen. Auf „Na(c)htodreise“ haben wir allerdings versucht die Härte noch etwas zu erhöhen, was vor allem dem konsequenteren Einsatz 7-saitiger Gitarren geschuldet ist, aber auch hier gibt es harte und zarte Momente. Und selbst die angesprochene „Verwaiste Wüstenstadt“ hat ja ein sehr intensives Finale. Wichtig war uns aber auch der cineastische Aspekt. Ich glaube, das Album klingt filmischer als die Vorgänger. Metal ist natürlich auch immer eine Definitionsfrage. Menschen, die sonst nur Geknüppel hören, werden uns wahrscheinlich nicht ernst nehmen. Aber mal ehrlich, diese Stilistik hat sich ja noch nie nur über gnadenlose Härte definiert, sondern war schon immer sehr vielfältig. Was die Zukunft angeht, gibt es noch keine konkreten Pläne. Ich habe ein paar neue Lyrics in der Schublade, aber mich noch nicht an die musikalische Umsetzung gemacht. Ich schätze, es wird wie immer sehr vielseitig werden.
Einige von Euch spielen sowohl bei Eden weint im Grab wie bei Aethernaeum. Was glaubt Ihr, welche der beiden Bands kommt besser bei den Kritikern und den Hörern an? Es wäre interessant zu wissen, wie Ihr das so aufnehmt bzw. erlebt…
Ich denke, das lässt sich nicht verallgemeinern. Manche finden EwiG besser, manche Aethernaeum, manche mögen beide und manche können mit beiden nichts anfangen (grins). Ich wage zu behaupten, wir haben mit EwiG die größere Bekanntheit. Aber das liegt sicher auch daran, dass wir hier ein paar Jahre Vorsprung haben und dadurch mehr gespielt und veröffentlicht haben. Was die Presse angeht, mussten wir über die Jahre hier und da mal Kritik einstecken, haben aber meistens Lob bekommen. Ich denke, das ist normal. Oft muss man auch einfach Glück haben, welcher Redakteur einem bei einem Magazin zugeteilt wird, da Geschmäcker verschieden sind. Ich versuche mir da nicht mehr so viel draus zu machen. Früher hat mich eine schlechte Kritik durchaus mal ein paar Tage beschäftigt, mittlerweile kann ich das halbwegs entspannt sehen. Das Wichtigste ist, dass wir selbst mit jedem Album das für uns zu diesem Moment bestmögliche Ergebnis herausholen. Dass es nie jedem gefallen wird, ist klar. Daher sollte man gar nicht erst versuchen, es jedem recht machen zu wollen. Aber ich muss sagen, dass die Kritik bei „Na(c)htodreise“ wirklich minimal war. Wenn man rein nach den Pressestimmen geht, ist es wohl das beste Album, das wir bisher mit beiden Bands gemacht haben (grins).
Bevor ich Dich wieder in Deine Gruft entlasse, bedanke ich mich für Wort und Musik! Ich hoffe stark, dass Ihr Euch nach der „Na(c)htodreise“ noch nicht wirklich dem Tode nahe fühlt und auch nicht so etwas wie ein demonstrativ-provokatives Band-Harakiri-Happening als nächsten Schritt zu vollziehen gedenkt… Nur weil ihr es so eilig in die Toten-Taverne habt, haha… Vielleicht kannst Du zum Schluss noch kurz in die Glaskugel schauen und uns sagen, was in der Zukunft von Eden weint im Grab und Aethernaeum zu erwarten ist?
Keine Sorge (grins). Wir sind durchaus bodenständige, lebensfreudige Menschen und vieles in den Texten ist mit einem Augenzwinkern zu sehen. EwiG ist ja eine Welt für sich, die nicht unbedingt autobiografisch ist. Wir lieben es einfach diese morbide, skurrile Parallelwelt zu erschaffen und gehen da eher wie ein Filmemacher oder Literat vor. Heißt im Klartext, dass man nur, weil man mal ein paar Horrorfilme gedreht hat, auch nicht an anderer Front mal eine Komödie oder Romanze machen kann (grins). Für die Zukunft werden wir erstmal versuchen, so viel wie möglich live zu spielen. Bei EwiG steht u. a. ein M’era-Luna-Auftritt an, bei Aethernaeum ein Gig beim Rock for Roots. Auf kreativer Ebene widme ich mich jetzt erstmal Projekten, die von EwiG und Aethernaeum recht weit entfernt sind. Ich schätze, danach geht es mit einem weiteren EwiG-Album weiter, da ich mich für ein aethernaeisches Black-Metal-Album derzeit nicht inspiriert fühle und nichts erzwingen will, das sich nicht richtig anfühlt. Aber das kann sich innerhalb einiger Monate auch wieder ändern. Daher lassen wir uns selbst mal überraschen wohin die Reise führt. Ansonsten: Danke für den Support an Euch!