Das Jahr 2019 hat uns nach acht Jahren das nunmehr zweite Abum von Euch beschert. Ich muss gestehen, dass es meine erste Begegnung mit Eurem Schaffen war und ebenso, dass ich gleich davon angetan gewesen bin. Aber es fällt natürlich auf, dass Ihr Euch bei Euren Alben eine ganze Menge Zeit lasst. Immerhin sind auch zwischen Eurer 2004er EP „Never Too Late“ und dem ersten Album „Forced to Kill“ ganze sieben Jahre vergangen. Verbrigt sich dahinter eine perfektionistische Absicht oder passiert das einfach so?
Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Da wir die Band nebenberuflich und auch in Eigenregie führen, dauert es bei uns immer etwas länger als bei Bands, welche die Musik hauptberuflich betreiben. Hinzu kommen noch nicht geplante, aber leider nicht zu vermeidende Wechsel in der Besetzung. Wenn es nach uns ginge, gäbe es spätestens alle drei Jahre ein neues Headless-Beast-Album. Jedoch spielen bei der Erstellung eines neuen Albums verschiedene Faktoren eine Rolle, welche sich auf den Entstehungsprozess auswirken. Als erstes müssen neue Songs entstehen. Das ist jetzt aber weniger das Problem. Ideen sind genügend vorhanden. Was jedoch sehr zeitaufwendig ist, das ist die Auswahl der richtigen Gitarrenriffs, Melodien und Refrains, welche zu Headless Beast passen und – das alles entscheidende Kriterium – auch rocken.
Ich bin, was den Entstehungsprozess von neuen Songs anbelangt, noch sehr old school gestrickt. Ein Gitarrenriff ist für mich erst gut, wenn es rockt. Sprich, wenn ich das Riff spiele, müssen automatisch der Kopf und der Fuß mitwippen sowie im Kopf ein Gefühl von Aggression, Rebellion und Rock ’n‘ Roll entstehen. Ist das nicht der Fall, taugt das Riff nichts. Ein Headless-Beast-Song entsteht durch Bauchgefühl und nicht im Kopf. Wir sind keine technische Band, sondern stehen noch ganz in der Tradition dessen, was Heavy Metal zu Beginn der NWOBHM ausgemacht hat. Das bedeutet, ich möchte mit meinen Gitarrenriffs noch die Wut, die Agression und die Rebellion transportieren, die mich innerlich bewegen. Wenn das erreicht ist, kommt es noch darauf an einen eingängigen und markanten Refrain für den Song zu finden. Ich finde es wichtig, dass der Zuhörer, wenn er den Refrain hört, erkennt, wie der Song heißt und wie der Refrain geht. Für mich ist es immer schwierig Songs von anderen Bands zu hören, wo man erst suchen muss, was der eigentliche Refrain ist und wie der Song jetzt heißt. Meiner Meinung nach muss man im Refrain auf den Punkt kommen. Dieser löst musikalisch auch die Riffs sowie die Strophe auf. Das Ganze wird dann noch durch ein oder zwei melodische Solos aufgewertet. Wobei mir immer wichtig ist, dass ein Song ein Hauptlead besitzt. Das ist sozusagen der musikalische Höhepunkt eines Songs. Verziert wird das Arrangement eventuell noch durch ein Intro oder Outro und entsprechende Mittelteile.
Das war jetzt ein kleiner Ausflug in den Entstehungsprozess eines Songs. Damit möchte ich sagen, dass es, wenn man sich mit der Sache richtig beschäftigt, doch etwas zeitaufwendig ist, die richtige Komposition zu finden. Mein Anspruch ist, dass jeder Song für sich stehen kann und auch sofort anhand des Intros oder der Riffs erkennbar ist. Um dies zu erreichen, muss man einen Song weiterentwickeln. Es werden Riffs und Songteile solange verworfen und neu komponiert, bis ein stimmiges Klangbild entsteht. Dazu kommt noch, dass man stets neue Einflüsse und Spieltechniken einfließen lassen muss, um sich nicht selbst zu wiederholen.
Es ist auch meiner Meinung nach für die Entstehung einer guten Platte wichtig, dass man sich ein grobes Konzept bezüglich Tonarten, Tempi und Stil macht. Unsere Alben beinhalten immer zwölf Songs. Von daher muss ein Album auch so komponiert sein, dass es über die Länge der Spieldauer einen gewissen Spannungsbogen hält und nicht schon nach dem vierten Song langweilig wird. Das erreicht man nur durch eine geschickte Anordnung von abwechselnden Tonarten und Tempi. Zudem besitzen unsere Songs auch unterschiedliche Songstrukturen, vom Aufbau her gesehen.
Um zu Deiner Ausgangsfrage zu kommen, Heavy Metal geschieht nicht immer auf Knopfdruck. Manche Sachen fließen einfach von der Hand, andere Sachen benötigen mehr Zeit und Inspiration. Wie bereits erwähnt, betreiben wir die Band nebenberuflich. Wir haben alle einen langen und anstrengenden Arbeitsalltag und so bleiben für die Entstehung von neuen Songs nur die Abende, die Nächte oder die Wochenenden über. Aber selbst da hat man oft noch andere Verpflichtungen. Wichtig ist, dass man neben dem Heavy Metal nicht auch sein soziales Umfeld vernachlässigt. Es gibt auch noch Frau, Freundin, Freunde und Familie. Zudem sind wir alle auch noch selber Fans und gehen oft zu Konzerten von anderen Bands.
Dann kommt noch ein wichtiger Punkt hinzu, welcher den Faktor Zeit beeinflusst. Es gibt immer mal wieder Wechsel in der Besetzung, welche sehr viel Zeit kosten, um neue Bandmitglieder einzuarbeiten. Wir hatten Besetzungswechsel vor allem am Gesang, welche uns viel Zeit gekostet haben. Wenn man sich das Line-Up seit „Never Too Late“ ansiehst, kann man außer einem Wechsel am Mikrofon keine Veränderung feststellen. Das ist, was die CD-Aufnahme betrifft, richtig. Doch zwischen den CDs gab es schon Wechsel beim Line-Up. Unser Sänger, welcher auf „Never Too Late“ zu hören ist, verließ uns kurz vor den Studioaufnahmen für „Forced to Kill“, da er sich der kommenden Produktion nicht gewachsen fühlte. Instrumental war die Aufnahme bereits 2008/2009 im Kasten. Jedoch mussten wir, um die Aufnahmen fertigzustellen, einen neuen Sänger suchen. Den hatten wir dann Ende 2009 in Jürgen gefunden. Er brauchte jedoch auch entsprechende Vorbereitungszeit für das Studio und konnte deshalb erst 2010 die Aufnahmen beenden. Danach kam noch der Mix und das Mastering, die Fertigstellung des Artworks für das Booklet und die Umgestaltung der Homepage. Somit konnte „Forced to Kill“ erst im Januar 2011 erscheinen.
Im Jahr 2012 hatte Jürgen aus beruflichen Gründen keine Zeit mehr für die Band. Mit Dieter hatten wir danach einen würdigen Nachfolger für die Live-Auftritte am Start und haben auch viel mit ihm gemacht. Jedoch hatte Dieter keine Zeit, um sich an einer neuen CD zu beteiligen. Die ersten Songs für „Phantom Fury“ waren bereits 2014 fertig. Dazu kam noch die Frage, wer sich um die neuen Texte kümmern sollte. Bei „Forced to Kill“ war es so, dass Jürgen Lugerth – ein Freund und Fan der Band – einen Teil der Texte geschrieben hatte. Die restlichen Texte stammen von mir und einer von unserem Bassisten. Jetzt bei der Erstellung von „Phantom Fury“ standen wir wieder vor derselben Frage. Da ich jedoch inzwischen in der Lage war auch als Gitarrist Texte zu schreiben und die groben Gesangslinien zu arrangieren, stammt der Großteil der Texte auf dem aktuellen Album von mir. Das kostete mich jedoch neben dem instrumentalen Songwriting noch extra Zeit. Was die Thematik anbelangt, so war es mir wichtig, wieder ein – wie bei „Forced to Kill“ – in sich stimmiges, interessantes und aktuelles Textkonzept zu entwerfen. Dabei hat mich wieder Jürgen Lugerth unterstützt, und so gelang es alle Lyrics auch ohne einen Sänger in trockene Tücher zu bringen.
Jürgen stand dann 2016 wieder für Headless Beast zur Verfügung. Er war auch mein Wunschsänger für das Album, da seine Stimme einfach hervorragend zu unseren Songs passt. 2016 war bis auf die Solos instrumental auch alles im Studio fertiggestellt. 2017 nahm ich dann die Soloparts im Studio auf und Jürgen sang die Lyrics für die neue Scheiben ein. Da wir mit dem ersten Mix 2017 nicht zufrieden waren, ließ ich 2018 unseren Produzenten Vagelis Maranis das Album noch mal neu abmischen und mastern. Das hat natürlich auch wieder für eine erhebliche Zeitverzögerung gesorgt, da das Studio nicht sofort zur Verfügung stand, aber diese war es uns auch wert. Es war gut, dass wir das Album nochmal neu abgemischt haben, ansonsten hätte es nicht den Sound, welchen es heute besitzt.
Danach hatten wir uns noch entschlossen ein neues Vertriebskonzept umzusetzen. Bis dato hatten wir mit Mailorder gearbeitet und hatten Vertriebsdeals mit ausgewählten Händlern. Wir haben von Anfang an den Vertrieb in Eigenregie geführt, was sich über die Jahre auch als die richtige Entscheidung erwiesen hat. Wir sind unabhängig, haben alle Rechte, die Kontrolle über unsere Songs und am allerwichtigsten – die Einnahmen der Verkäufe bleiben bei uns. Damit können wir die Kosten für die Investitionen wie z. B. die Studiokosten und Produktion eines Albums wieder reinholen. Die meisten Gruppen, die in unserer Liga spielen und einen Plattenvertrag haben, zahlen meistens drauf, haben alle Rechte abgegeben und keinerlei Kontrolle über ihre Kompositionen. Zudem wird Gruppen, welche diesen Weg wählen, auch noch in die künstlerische Freiheit reingeredet und seitens der Plattenfirmen Einfluss auf Kompositionen und Gestaltung der Konzepte genommen. Das ist etwas, was ich nie wollte. Wir können tun was wir wollen und sind niemandem gegenüber verpflichtet. Das ist Freiheit!
Unser neues Vertriebskonzept besteht aus einem weltweiten Vertrieb über Amazon, unserem eigenen Webshop sowie allen gängigen Download-Portalen und Streaming-Dienstleistern. Dazu kommen auch noch Deals mit ausgewählten Händlern, welche unsere Alben auf Festivals, deutschlandweit auf Plattenbörsen und in ihren Shops anbieten. Das Ganze auf die Beine zu stellen und die Verträge zu schliessen, hat auch nochmal entsprechend Zeit gekostet. Man muss sich in sehr viele vertragsrechtliche Dinge einarbeiten und auch das Business verstehen. Im Grunde genommen kümmere ich mich um all die Sachen, welche normalerweise die Vertriebsmitarbeiter einer Plattenfirma ausführen. Dazu gehört auch die Promotion und die Pressearbeit. Das hat auch noch mal sehr viel Zeit gekostet, aber ich denke, mit diesem Vertriebskonzept fahren wir nicht schlecht. Die Verkaufszahlen und die weltweite Nachfrage bestätigen dies. Das ist ja einer der Vorteile am Internetzeitalter, dass man viele Dinge, für welche man früher ein Plattenlabel benötigte, heute auch selber machen kann. Dank unseres Webshops können die Leute unsere CDs, T-Shirts und Patches weltweit direkt bei uns erwerben. Egal ob jemand aus den USA, aus Australien oder Japan Interesse an uns hat, er kann direkt bei uns bestellen.
Ja, das sind alles Gründe, warum es bei uns mit den Veröffentlichungen von neuen Alben länger dauert als bei anderen Gruppen. Ich denke, das ist für alle nachvollziehbar.
Mit Sicherheit ist das nachvollziehbar, und ich muss gestehen, dass man dem Album anmerkt, dass hier sehr auf Qualität geachtet wird. Masse ist definitiv nicht immer gleiche Klasse. Das war auf jeden Fall mal ein tiefer Einblick in den Enstehungsprozess eines Albums und auch gleichzeitig ein gutes Stück Bandgeschichte. Apropos: Wenn man die Zeit, in der Ihr Euch noch Beast of Bourbon nanntet, mit einrechnet, dann feiert Ihr im nächsten Jahr Euer zwanzigjähriges Bestehen als Band – wenn ich mich nicht irre. Das ist eine ganze schön lange Zeit. Wie fühlt sich das für Euch an? Habt Ihr bisher erreicht, was Ihr erreichen wolltet? Oder gibt es da bestimmte Ziele, auf die Ihr als Band hinarbeitet?
In der Tat, es sind schon zwanzig Jahre, wenn man die Zeit als Beasts of Bourbon mit dazurechnet. Wahnsinn, wie die Zeit vergeht! In dieser Zeit haben wir einiges erreicht, was wir uns vorgenommen haben, aber natürlich gibt es auch noch vieles, was wir noch nicht erreicht haben. Generell würde ich es in Bezug auf Headless Beast aber so sehen, dass wir das 15-jährige Jubiläum begehen.
Ich muss hier vielleicht etwas ausholen. Von 1994 bis 1999 hatte ich eine Band mit dem Namen Evil Priest. Wir hatten 1997 auch eine CD in Eigenregie veröffentlicht, mit dem Namen „Deep Down in Devils Soul“. Vom Sound her konnte man uns als eine Mischung zwischen AC/DC, Motörhead und ZZ Top einordnen. Unser Sänger hatte dazu eine Stimme wie Elvis Presley. Viele Jahre später sind ja Volbeat mit dieser Mischung bekannt geworden. Als dann 1999 Schluss bei Evil Priest war, gründete ich eine neue Band. Die Bandgründung kam dadurch zustande, dass ich Markus „Havi“ Haberland kennenlernte. Er war vorher Sänger der Progressive-Metal-Band Infearior aus Bremen, musste aber beruflich zu uns in den Süden der Republik nach Ulm ziehen. Bei meiner Band war Schluss und bei seiner auch. Wir lernten uns auf einem Konzert in Neu-Ulm kennen, und ein paar Biere später beschlossen wir zusammen etwas Neues auf die Beine zu stellen.
So entstanden die Beasts of Bourbon. Als wir im März 2000 unseren neuen Proberaum bezogen, wurde die Band offiziell gegründet. Unser erster Schlagzeuger war auch der vorheriger Drummer von Evil Priest – Bernhard Schad. Als Bassist kam dann im Mai 2000 Martin Schmidt zu uns. Er ist übrigens bis heute als Web-Administrator bei uns tätig. Das waren die Anfänge der Band, aus denen sich später Headless Beast entwickeln sollte. Zu dieser Zeit hatten wir noch nicht ganz unseren Stil gefunden. Damals spielten wir eine Mischung zwischen Hard Rock und Heavy Metal, was natürlich auch an den unterschiedlichen musikalischen Einflüssen der damaligen Bandmitglieder lag. Es gab dann noch verschiedene Besetzungswechsel an den Drums, am Bass und am Gesang, bis endlich 2004 die Urformation von Headless Beast stand. 2004 nahmen wir dann auch unsere erste EP auf. Kurz vorher benannten wir uns noch in Headless Beast um. Zum einen, da es bereits eine etablierte Gruppe in Australien mit dem Namen Beasts of Bourbon gab, und zum anderen, weil wir uns inzwischen auch in Richtung Heavy Metal weiterentwickelt hatten und dies auch durch den Namenswechsel zum Ausdruck bringen wollten.
Die Zeit zwischen „Never Too Late“ und „Forced to Kill“ war dann noch einmal von verschiedenen Besetzungswechseln geprägt. Aber diese Zeit war auch eine wichtige Entwicklungsphase für die Band. Wir entwickelten uns endgültig zur reinen Heavy-Metal-Band. Zwar sind bis heute noch bei manchen Songs hier und da die Hard-Rock-Einflüsse herauszuhören, aber insgesamt, denke ich, haben wir seit „Forced to Kill“ unseren Sound gefunden. Und das ist Heavy Metal in der stilistischen Ausprägung von NWOBHM und Teutonic Steel mit modernen Einflüssen. Von daher würde ich bei Headless Beast eher das 15-jährige Jubiläum feiern. Die Beasts of Bourbon sehe ich aufgrund der häufigen Line-Up-Wechsel und stilistischen Neuausrichtung als Übergangsphase an, auch wenn daraus Headless Beast geworden ist.
Es war harte Arbeit, aber wir haben erreicht, dass wir eine regional bekannte Band sind, sowie auch, dass man uns im Rest der Republik zumindest von unseren Veröffentlichungen her kennt. Und wir haben auch eine weltweite Fan Base. Darüber hinaus haben wir zwei – und das kann ich hier jetzt einfach so sagen – nachweislich gute Heavy-Metal-Alben klassischer Prägung veröffentlicht, welche sich auch hinter international großen Produktionen nicht verstecken müssen. Auf dem Live-Sektor war unser größter Auftritt bisher der im LKA Longhorn in Stuttgart als Vorgruppe von Doro mit etwa 1.500 Zuschauern. Ansonsten haben wir bisher immer in kleineren Locations mit weniger Zuschauern gespielt.
Als Ziel für die Zukunft und hierbei insbesondere für dieses Jahr 2020 wünschen wir uns, dass wir mehr auf größeren Festivals spielen und somit auch mehr Zuhörer erreichen können. Ansonsten, hoffen wir, dass wir als Band noch so lange wie möglich gemeinsam Musik machen können. Das ist ja auch nicht immer so selbstverständlich. Ein weiteres Headless-Beast-Album wäre auch noch ein Ziel. Ich habe in der Zwischenzeit wieder eine Menge tolle Riffs gesammelt, einige gute Refrainideen und auch schon ein interessantes Konzept für ein neues Album im Hinterkopf.
Ein wenig Eigenlob darf bei Eurer Scheibe auch durchaus drin sein. Aber kommen wir vom Musikalischen ein bisschen in die „bildhafte“ Ecke, da mich als Mediengestalter auch die Cover von Alben immer brennend interessieren. Der kopflose Reiter, welcher nun auch Euer zweites Album ziert, scheint Euer dauerhafter Bandbegleiter zu sein. Wie kamt Ihr dazu, diese Figur aus der Geschichte „The Legend of Sleepy Hollow“ von Washington Irving zu verwenden und was verbindet Ihr mit ihm?
Um diese Frage zu beantworten, muss ich nochmals kurz in die Bandhistorie eintauchen. Bis 2004 nannten wir uns ja Beast of Bourbon. Kurz bevor wir unsere EP „Never Too Late“ veröffentlichen wollten, entdeckten wir, dass eine australische Band mit demselben Namen bereits exisitierte. Nachdem diese bereits für The Rolling Stones und Pink Floyd eröffnet hatten, war es notwendig geworden, uns einen neuen Bandnamen zu geben. Aus diesem Grund setzten wir uns zusammen und machten ein Brainstorming, bei dem ca. 120 Namensvorschläge herauskamen. Nach einer immer engeren Eingrenzung wurde schliesslich in einer Abstimmung der Name Headless Beast als neuer Bandname ausgewählt. Wir fanden alle den Namen gut, da zum einen das Wort „Beast“ noch erhalten blieb, und zum anderen, weil er sich bei Konzerten gut rufen lässt. Auf die Geschichte mit dem kopflosen Reiter bin ich erst später eines Abends vor dem Fernseher aufmerksam geworden, als ich den Film „Sleepy Hollow“ sah. Die in dem Film vorhandene Figur des kopflosen Reiters war die perfekte Visualisierung unseres Bandnamens. Ich war sofort Feuer und Flamme. Deshalb befindet sich der kopflose Reiter auch auf unserem Frontcover von „Forced to Kill“.
Die Thematik der Geschichte des kopflosen Reiters wird auch in zwei der Songs auf „Forced to Kill“ behandelt. Ausserdem kann man den Namen Headless Beast auch so interpretieren, dass er symbolisch für die oftmals kopflos handelnde Menschheit steht. Der kopflose Reiter stellt hierfür das perfekte Symbol dar.
Auf dem Frontcover von „Phantom Fury“ hat der kopflose Reiter ein Update erfahren. Er ist jetzt entsprechend der Thematik des Albums moderner geworden und trägt Cyborg-ähnliche Elemente. Zudem wird er nicht mehr durch die Hexe mit seinem abgetrennten Schädel ferngesteuert sondern über drahtlose Datenübertragung. Auch in den Themen, welche auf „Phantom Fury“ behandelt werden, schlägt die kopflos handelnde Menschheit wieder gnadenlos zu. Von daher ist das „Headless Beast“ oder der kopflose Reiter nach wie vor ein aktuelles und perfektes Symbol für die Dinge, welche uns heute bewegen und auch unsere Zukunft mitbestimmen. Die Menschheit handelt nach wie vor kopflos. Wie in dem Song „Headless Beast“ im Text beschrieben: „Until the day the reaper takes his toll“!
Interessant, Ihr habt also mit Eurem neuen Bandnamen gleichzeitig einen Bezug zu Eurer Bandvergangenheit hergestellt, eine auch philosophisch spannend verwendbare Figur auserkoren und fast nebenbei ein Bandmaskottchen mit Wiedererkennungswert erhalten. Ich möchte noch einmal kurz bei der Symbolik bleiben. „Die Zeit, in der wir heute leben, löst eine gespenstische Wut in uns aus“, so umschreibt Ihr auf Euerer Internetseite Euer Album „Phantom Fury“. Könnt Ihr kurz erklären, was Ihr genau damit meint und ob bzw. in welcher Form sich diese Wut auch auf dem Album manifestiert?
Inhaltlich setzt sich „Phantom Fury“ mit den Phänomenen und Begleiterscheinungen der heutigen Zeit auseinander, welche unsere Lebensumstände und unser tägliches Handeln unterschwellig beeinflussen. Dazu zählen Manipulation, Verblendung, Maßlosigkeit, sozialer Abstieg, Missbrauch von Religion, Versagens- und Zukunftsängste, Gefahr des heutigen Mediennutzungsverhaltens, ungewollte Veränderungen, Radikalisierung der Gesellschaft und der Verfall von Werten. Diese führen erkennbar zu einer steigenden allgemeinen Unzufriedenheit und äußern sich in einem sich verschärfenden Umgangston sowie einer zunehmend gespalteten und sich radikalisierenden Gesellschaft.
Diese Unzufriedenheit, diese Ängste, diese gefühlte und erfahrene Ungerechtigkeit, diese durch die Medien erzeugte und von den Konsumenten wahrgenommene Manipultion unseres Denkens erzeugen eine unterschwellige Wut und Aggression bei den Betroffenen aus. Jedoch ist derzeit noch nicht ganz klar, in welcher Form sich diese Wut entladen wird. Das ist das Gespenstische daran. Jeder merkt und fühlt, dass sich die Gesellschaft und die Umgangsformen in den letzten Jahren verändert haben und der Umgangston rauer geworden ist. Dazu gesellen sich noch die Umweltzerstörung und die ungerechten Kriege, welche die Menschen nicht mehr so wie in der Vergangenheit hinnehmen. Es wird wahrgenommen, dass sich etwas aufgestaut hat, was kurz vor der Entladung steht. In welcher Form dies geschehen wird, ist noch unklar, aber jeder fühlt, dass etwas kommen wird. Das ist die Bedeutung von „Phantom Fury“.
Das mag vielleicht klingen, als wäre Euer Album vollgestopft mit erhobenen Zeigefingern. Nach ausführlichem Hörgenuss kann ich jedoch sagen, dass dem nicht so ist. Beziehungsweise, dass Ihr Eure Zeigefinger in verdammt ohrwurmlastige Musik gewickelt habt. Ich bedanke mich bei Dir Ingo für dieses echt ausführliche Interview. Und auch wenn Ihr – was ich gut verstehen kann – Wert auf Qualität legt, so hoffe ich, dass wir auf Euer nächstes Album nicht ganz so lange werden warten müssen. Aber wie auch immer, ich denke das Warten wird sich wieder mehr als lohnen! Noch irgendwelche letzten Worte?
Heavy Metal war ursprünglich eine Bewegung gegen Spießertum und Establishment. Für viele Gruppen scheint dies verloren gegangen zu sein, oder die Musiker wurden in einer Umgebung sozialisiert, die weit von der Realität entfernt ist. Dies spiegelt sich auch in den unbedeutenden Texten dieser Gruppen wider. Wir versuchen harte Musik mit sinnvollen und realen Themen aus dem Leben zu verbinden, die den Hörer zum Nachdenken anregen sollen.
Wir haben jedoch auch den Anspruch, unseren Hörern ein bestimmtes musikalisches und textliches Niveau zu bieten. Dies unterscheidet uns von vielen heute erfolgreichen, aber inhaltlich bedeutungslosen Gruppen. Seit einigen Jahren breitet sich immer mehr der Trend zum künstlich aufgeblasenen Pop Metal aus, der nach Schlagermusik klingt und von der Musikindustrie gefördert wird, natürlich nur zu Unterhaltungs- und Partyzwecken. Die Musik ist flach und leicht zu konsumieren, besitzt aber nicht mehr das rebellische Element, das den ursprüngliche Heavy Metal kennzeichnet.
Eigenständige und unabhängige Gruppen haben jedoch die Freiheit, sich von keinerlei Trends beeinflussen zu lassen und müssen nicht darauf achten, was gerade angesagt ist und was nicht. Sie können sich frei von Kommerz künstlerisch ausdrücken und ihre Botschaft transportieren.
Ich kann nur deshalb alle dazu aufrufen: Unterstützt den Underground! Gebt Bands eine Chance, auch wenn Sie keinen Plattenvertrag haben. Jede Band, die ihre Sache selbst in die Hand nimmt, verdient Respekt!