Sei mir gegrüßt Marcel! Ich hoffe bei Dir und Deinem kleinen Tape-Label läuft alles planmäßig und gut! Erzähl mal aber, wie kamst Du dazu, selbst ein kleines Metal-Label aus dem Boden zu stampfen, wo es doch eigentlich schon so viele verschiedene gibt? Was war die treibende Kraft dahinter, welche Motivation hat Dich angestachelt? Denkst Du, die großen Major-Labels machen ihre Arbeit nicht richtig, indem sie jungen und kleinen Musikprojekten gar keine Chancen auf Entfaltung mehr bieten?
Ich grüße Dich Adam! Die Idee, selbst etwas auf die Beine zu stellen, wurde eigentlich ausschließlich aus dem Bedürfnis heraus geboren, Veröffentlichungen auf Kassette zu haben, bei denen sich mir die Nackenhaare aufstellen. Leider steckt dahinter keine obskure Geschichte, in der ich dann schlussendlich wie die Jungfrau zum Kind gekommen bin. Es war einfach der „Dann mach’s halt selbst“-Gedanke, der zündete. Wobei es vermessen wäre No Return jetzt irgendwie als DIY-Label oder Ähnliches zu bezeichnen. Im Endeffekt möchte ich einfach nur vernünftige Veröffentlichungen abliefern. Ansonsten hätte ich mir ja auch einfach die Master-Dateien zuschicken lassen und es mir dann selbst auf eine Kassette kopieren können, und die Geschichte wäre zu Ende. Der direkte Nachfolgegedanke war, potentielle Veröffentlichungen auch dementsprechend zu präsentieren. Sprich im Falle der ersten Veröffentlichung, dem Debütalbum von Saligia, mit einem extra Booklet für Texte, schwerem Papier für die Einleger und Satinbeutel.
Ich denke, Major-Labels machen ihre Arbeit schon richtig. Der Begriff „Major“ impliziert ja, dass dort nur Bands mit einem gewissen Standing unter Vertrag sind. Da sitzen Geschäftsleute, die genau wissen was sie tun. Bands werden unter Vertrag genommen, wenn die Aussichten auf kommerziellen Erfolg stimmen. Siehe z. B. Batushka oder auch Mantar, deren Debüts durch die Decke gegangen und die nun beide bei großen Playern untergekommen sind. Das kann man nun gut finden oder nicht, ändert aber nichts daran, dass Majors wahrscheinlich eher mit Bands arbeiten, in denen sie kein finanzielles Risiko sehen und welche schon eine gewisse Fan Base mitbringen, mit der es sich arbeiten lässt. Geschenkt kriegt niemand was, vor allem Geld. Und am Ende des Tages geht es dort verständlicherweise eben genau darum. Die Frage ist, glaube ich, eher die: Lasse ich mich als Band in das Promo/Tour/Albumzyklus-Korsett eines Majors einspannen, oder mache ich mein eigenes Ding bzw. bin ich zufrieden mit dem, was ich momentan habe? Dass es auch geht, ohne ein Major-Label im Rücken sitzen zu haben, zeigen ja Beispiele wie Nargaroth, Bölzer oder Mgła. Das andere Extrem wäre dann eine Band wie Behemoth. Ohne das Major-Label im Rücken wären sie, glaube ich, nie zu der Marke geworden, die sie mittlerweile sind.
Also hast Du Dein Label in erster Linie sozusagen für Dich selbst gegründet? Primär deswegen, weil die von Dir bevorzugte Musik nicht auf Tapes erschienen ist? Fair ist auf jeden Fall Deine Einstellung in Bezug auf die Arbeit der großen Labels, die nicht selten genug von kleindenkenden Hirnmassen als Szeneverräter dargestellt werden. Irgendwo ist es aber klar, dass diese, nachdem sie gewachsen sind, gar nicht anders agieren können, denn schließlich leben etliche Leute von der Arbeit dort, die auch jeden Monat ihr Gehalt überwiesen haben möchten, frei nach dem Motto: Label unser, geheiligt werde dein nächstes Release, das tägliche Brot gib uns heute… Und wenn viele Hörer faul sind, und sich nicht selber die Mühen machen wollen, neue spannende Musik für sich selbst zu entdecken, sondern nur in den Katalogen der großen Labels und den einschlägigen großen Magazinen lesen, dann sind sie sozusagen irgendwo auch selber schuld, oder? Viele hätten sicher ein viel erfüllteres und glücklicheres musikalisches Leben, wenn sie auch mal die Kleinlabel wie z. B. Deines etwas genauer unter Augenschein nehmen würden, denkst Du nicht auch?
Ehrlich gesagt, habe ich überhaupt keine Ahnung, was momentan im metallischen Mainstream so abgefeiert wird, von den bekannten und stets angesagten Namen mal abgesehen. Das bekomme ich, wenn überhaupt, nur ganz am Rande meiner Peripherie mit.
Magazine und Kataloge spielen, so glaube ich, heutzutage nur noch eine marginale Rolle, wenn es darum geht, neue Musik für sich zu entdecken. Ich bin Anfang der 2000er, zwischen 12 und 13, zum Metal gekommen, und da ich in einer eher ländlich geprägten Gegend aufgewachsen bin, waren ein Internetanschluss oder ein Plattenladen eher eine Rarität bzw. überhaupt nicht erreichbar. Das höchste der Gefühle war der Besuch im Dodenhof (ein großes Kaufhaus in Norddeutschland). Da gab es dann Hefte wie das Legacy oder den Metal Hammer. Später hatte dann, Gott sei Dank, auch irgendwann die örtliche Shell-Tankstelle diese Hefte im Angebot.
Ich kann mich ebenfalls noch recht gut an das Bestellen von EMP- und Nuclear-Blast-Katalogen erinnern. Mit meinem Internetzugang besitzenden und ebenfalls Metal-affinen Kumpel haben wir uns dann so gut wie alle der dort gelisteten Bands auf Myspace oder YouTube angehört und anschließend bei Gefallen deren Alben oder zur Not auch nur einzelne Songs von den Filesharing-Plattformen heruntergeladen. Der darauffolgende Ärger mit seinen Eltern, weil der PC von diversen Viren niedergestreckt wurde, hat uns natürlich nicht davon abgehalten unsere damals aufkeimende Liebe zum Metal weiterzuverfolgen. Wenn man allerdings heute mal in einen EMP-Katalog reinschaut… Na ja, es ist das pure Grauen. Tonträger gibt es dort überhaupt nicht mehr, nur noch Bandmerch und Lifestyle-Müll. Musik findet man bei EMP nur noch im Online Shop.
Rückblickend ist das natürlich schon irgendwie bekloppt gewesen, aber so bin ich von Opeth zu Bloodbath und dann zu Klassikern wie Entombed oder Nihilist gekommen. Durch die Digitalisierung der letzten 15 Jahre kann man sich solch eine Vorgehensweise heutzutage natürlich sparen, weil man fast alles auf YouTube oder Bandcamp finden kann. Das ist zum einen natürlich fürchterlich bequem, aber auch furchtbar anstrengend, gerade weil es dort wirklich ALLES gibt. Auf YouTube gibt es ja mittlerweile Kanäle, die pro Tag mehrere Alben in voller Länge hochladen, teilweise sogar direkt an dem Tag, an dem die physische Kopie erhältlich ist. Für mich persönlich ist das zu viel des Guten, und ich habe irgendwann aufgehört diese ganze Chose zu verfolgen. Ich grabe mich dann lieber durch Foren oder die Metal Archives und entdecke so neue Bands. Das ist zwar arbeitsintensiver, allerdings findet man so echte Perlen, auf die man sonst wahrscheinlich nie im Leben gestoßen wäre. Heute erst Necrobutcher entdeckt. Komplett geistesgestörter Deathgrind aus Brasilien von ‘89. Wer auf Truppen wie Sarcofago, Carcass, Beherit oder Gonkulator steht, der sollte unbedingt mal ein Ohr riskieren. Geil!
Im Endeffekt gilt für den Untergrund allerdings wohl die Parole „Metal for maniacs pure“, welche Venom in ihrem Song „Black Metal“ ausgegeben haben. Ich glaube, damit ist irgendwie alles gesagt.
Ja, die Zeiten damals waren schon so ziemlich anders. Man hatte auch nicht die volle Bandbreite an Bands vor der Tür zur Auswahl stehen, man musste schon selbst aktiv werden, wenn man bestimmte Musik haben wollte… Doch was mich interessieren würde: Wieso nur Tapes? Wieso hast Du Dich gerade auf dieses Medium festgelegt? Die magnetischen Bänder sind doch sehr anfällig, relativ kurzlebig (im Vergleich zu einer CD oder LP) und voll antiquiert. Ich war damals froh, wenn die CDs den Bandsalat, mit dem ich doch schon regelmäßig zu kämpfen hatte, ablösten. Ein Ritual der Nostalgie? Oder gibt’s dafür noch einen anderen, ganz speziellen oder bestimmten Grund?
Die Entscheidung, sich auf Tapes festzulegen, war ganz pragmatischer Natur. Nostalgie spielt da überhaupt keine Rolle bei mir, zumal ich ein Kind der 90er bin, und als ich Metal für mich entdeckte, waren die Tape-Trading-Tage schon längst vorbei. Ich war nie wirklich audiophil, und wenn man anfängt, sich von einem schmalen Azubi-Gehalt wie ein Besessener Musik zu kaufen, ist für mich der logische Schritt der, sich erst einmal mit Tapes zu beschäftigen. Man steht halt vor der Wahl: Vinyl für knappe 20 € plus Versand, oder doch lieber 2 CDs oder 4 bis 5 Tapes für denselben Preis. Mir fiel die Entscheidung da nicht sonderlich schwer, da man ja im Prinzip dasselbe Produkt bekommt. Und es ist dann einfach dabei geblieben.
Dass andere Formate langlebiger sind, das mag ebenfalls sein. Ich habe auch kein Problem damit zuzugeben, dass Vinyl sich besser anhört und die großen Cover natürlich eher etwas her machen. Musik wird bei mir gehört, und wenn das besonders rare Tape dann im Eimer ist, habe ich halt Pech gehabt. Ist ja auch nicht so, dass es in 2019 nicht eh fast alles als Re-Release gibt. Wobei ich auch sagen muss, dass in ca. 10 Jahren des Musiksammelns von mir nur ein einziges Tape, weil das Band gerissen ist, in den Mülleimer befördert worden ist.
Andere Formate kommen bei Dir also gar nicht erst in Frage, oder spielst Du ab und an vielleicht doch schon mit dem Gedanken? Und wirst Du mit den Kassetten auch neue und exklusive Veröffentlichungen, die es nicht in anderen Formaten und bei anderen Labels gibt, realisieren? Bisher ist das noch nicht geschehen, so wie ich es überblicken kann.
Nein, nicht wirklich. Für Vinyl habe ich mich nie interessiert und CDs finde ich ehrlich gesagt langweilig. Die aktuelle Veröffentlichung, die Compilation „Devastators of the Suns (A Tribute to Katharsis)“, gibt es nur auf Tape, veröffentlicht von No Return und Bile Noire aus Spanien. Ansonsten ist es mir relativ gleich, ob ich exklusive Veröffentlichungen habe oder ob diese schon einmal irgendwo anders auf CD oder Vinyl herausgekommen sind. Du weißt als Zine-Herausgeber wahrscheinlich selbst am besten mit welcher Sorgfalt und Qualität die meisten Promos geschmiedet sind, die man so in seinem Mail-Postfach findet. Das meiste, was ins Postfach trudelt, bleibt dann meinerseits einfach unkommentiert, weil es entweder kompletter Schrott oder total beliebig bzw. austauschbar ist. Ich höre ja auch gerne mal Brutal Death Metal à la Skinless oder Gorgasm, aber wieso schickt man mir, einem auf Tapes spezialisierten Untergrund-Black-Metal-Label, als eine Brutal Death Metal Band XY eine digitale Promo, die aus drei YouTube-Links besteht? Und dann auch noch für das dritte Album… Was erwartet man sich davon? Toll, hast 200 Mail-Adressen ohne Sinn und Verstand in dein E-Mail-Programm gehackt und hoffst, dass irgendetwas dabei rausspringt. Komplett idiotisch und am Ziel vorbei.
Ja, die Problematik mit den zahlreichen, täglich antrudelnden digitalen Promos, falls man das überhaupt als ein Problem kategorisieren möchte, kennen wir auch. Aus dem Grund haben wir uns nur auf die Besprechung physikalischer Tonträger spezialisiert, was uns das Leben erheblich erleichtert. Doch um bei No Return zu bleiben, möchte ich Dich andersherum fragen: Welche Band würdest Du Dir bei Dir wünschen? So eine Band wie ZAD aus Israel, wäre das vielleicht was für Dich? Und überhaupt, all Deine Releases scheinen mir durch die Bank irgendwie okkult bis religiös angefärbt zu sein. Hat das irgendwelche ganz speziellen Gründe? Muss Musik Deiner Ansicht nach mehr als nur Spaß vermitteln? Die typische und großflächige, zum Power-Killer-Riff das Haupt schüttelnde Headbanger-Fun-Fraktion wirst Du mit Deinem Label wohl kaum bedienen können, das ist schon klar…
Welche Band ich mir wünschen würde… Gute Frage. Teitanblood wären da meine Ultima Ratio. Ist allerdings schwer, sich da festzulegen. Ich würde auch gerne die ersten beiden Alben von Prezident, „Kleiner Katechismus“ und „Neueste Erkenntnisse vom absteigenden Ast“, auf Tape machen. Doch beides würde wohl auf die eine oder andere Weise den Rahmen von No Return sprengen. Ansonsten lasse ich neue Projekte einfach auf mich zukommen. Da gibt es auch keinen Plan eine vorbestimmte Anzahl an Releases in 2019 rauszuhauen. Wenn Du es mal mit anderen Labels vergleichst, kommen bei No Return eh schon ewig nur zwei bis drei Veröffentlichungen pro Jahr heraus.
Dass alle meine Veröffentlichungen bisher einen esoterischen Touch haben, liegt wahrscheinlich einfach in der Natur der Sache. Die ganze Thematik ist ja schon im Black-Metal-Grundton vorhanden. Wenn Du in die Anfangstage der zweiten Welle guckst, findest Du natürlich Bands wie Enslaved oder Black Funeral. Ein Ausschlusskriterium à la „Black Metal MUSS so sein“ gibt es für Veröffentlichungen auf No Return jedoch nicht. Der Spirit muss da sein. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.
Musik muss gar nichts. Wer Bock auf diese Spaßmusik hat, soll sie halt hören. Ich bin nicht die Szenepolizei oder sonst wer und werde es den Leuten nicht verbieten. Dieses Publikum wird allerdings wahrscheinlich eh nichts mit den Veröffentlichungen von No Return anfangen können. Außerdem habe ich halt auch keine lustigen Abbath Bobble Heads im Sortiment.
Denkst Du, dass kleine Metal-Labels wichtig für die Szene sind? Wenn ja, warum? Und kann man sie als Gegenpol zu den großen Playern sehen?
Natürlich sind kleine Labels wichtig. Wobei auch das in den letzten Jahren teilweise absurde Züge angenommen hat. Siehe Skjold, Livor Mortis, GoatowaRex oder Perverse Homage. Ich glaube, die Gründe dafür sollten jedem klar sein. Ohne Partizipation passiert halt nicht viel bzw. nix. Deine Frage beantwortet sich deshalb schon irgendwie von selbst. Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand der Gegenpol zu irgendwas sein möchte. Jeder macht sein Ding und gut ist. Wenn es Erfolg hat, dann ist das natürlich schön, wenn nicht, dann ist das auch kein Beinbruch.
Ja, so kann man das natürlich auch sehen… Marcel, ich danke Dir für Deine kostbare Zeit und bedanke mich herzlich für das Gespräch!
Ich habe zu danken!