Hallo Jungs! „HEM“ kann definitiv als das beste und auch reifste Album von Euch betrachtet werden. Ich denke, da werdet Ihr mir sicherlich auch zustimmen, oder? Dennoch, es gibt auch einige Gegenstimmen, so wie ich es vernommen habe. Nur drei von zehn Punkten zum Beispiel für ein derart atmosphärisches Werk zu vergeben ist schon mehr als unangemessen. Da muss wohl jemand wirklich taub sein, oder wie seht Ihr das? Habt Ihr womöglich eine Vermutung, wie man zu solch einer, vielleicht vorsätzlichen Fehleinschätzung gelangen kann?
Andy: Erstmal vielen Dank für die Blumen! Wir sind auch sehr zufrieden mit dem Album, obwohl man später immer Dinge findet, die man hätte besser machen können. Dass unsere Musik nicht jedem gefallen kann, ist ja klar. Ich bin immer derjenige, der sagt, dass man über schlechten Reviews stehen muss. Andererseits ist es schon ärgerlich, wenn man bedenkt, dass speziell Schneidi Woche für Woche seine Zeit im Studio geopfert hat und sich dann irgend so ein dahergelaufener Spinner darüber lustig macht. Mich nerven auch schlechte Reviews von anderen Bands, bei denen man nicht mit einer Silbe lesen kann, was dem Schreiberling nicht an der Musik passt (Sound? Songs? Texte? Zu roh? zu glatt?). Stattdessen, Wort für Wort, Hohn und Spott ohne Inhalt. Klar, so etwas liest sich besser als ein reiner Sachtext und ist recht kurzweilig, aber vielleicht sollte sich der ein oder andere auch mal daran erinnern, dass es die meisten Bands auch ohne Fachpresse geben würde, was man umgedreht wohl nicht behaupten kann. Jahrzehnte später entschuldigt sich das Rock Hard in regelmäßigen Abständen für ihre Fehleinschätzungen (siehe Darkthrone, Manilla Road oder Bathory). Ob das in unserem Falle Vorsatz war, weiß ich nicht. Wenn es so sein sollte, hat sich der Schreiber als Journalist eh selbst disqualifiziert. Im besten Fall fand diese arme Seele einfach keinen Zugang zu unserer großartigen Musik, hehe… Aber egal! Schlechte Presse ist auch Presse. Wir hatten eh nie vor, jedem zu gefallen. Manchmal muss es eben auch mal weh tun.
Dem Albumtitel nach zu urteilen, habt Ihr Euch diesmal komplett dem Thema Heimat gewidmet bzw. verschrieben. Wie kamt Ihr auf diese Idee? Heimatliebe wird doch aktuell nicht gerade positiv aufgefasst, schon gar nicht wenn man aus Sachsen kommt, kann ich mir vorstellen. Meine persönliche Wahrnehmung ist nämlich die, dass der deutschen Heimatliebe gleich automatisch ein gewisser Fremdenhass unterschwellig angedichtet wird. Das ist natürlich der braunen, immer stärker werdenden Stinkerbrühe zu verdanken, welche die allgemeine Wahrnehmung für einige Begrifflichkeiten auf den Kopf stellt und verfälscht. Dabei ist die Heimatliebe doch nichts Negatives und schon gar nicht mit Hass irgendwelcher Art Beschmutztes, nicht wahr? Gibt es vielleicht im Zusammenhang mit Eurem Album eine gewisse Problematik diesbezüglich?
Andy: Um gleich eines vorwegzunehmen: Eine gewisse lose Organisation hat uns schon mal rechte Tendenzen vorgeworfen. Das ist allerdings viele Jahre her und seitdem kam nie wieder was. Damit hat sich die Sache für uns auch erledigt. Ich halte es für ziemlich infantil, die Welt in links und rechts aufzuteilen, sich dann für eine Seite zu entscheiden, mit der Begründung, man müsse sich positionieren (einen Scheißdreck muss ich!), um der jeweils anderen Seite die Schuld an der Spaltung der Gesellschaft zu geben. Klimawandel, Migration, Globalisierung, alles Themen, die nicht allzu viel miteinander zu tun haben, und ich nehme es mir heraus, zu jedem Thema eine eigene Meinung zu haben, oder eben auch mal keine. Egal, ob sie sich nun mit dem linken oder rechten Kleinbürgertum deckt. Saxorior marschiert nicht im Gleichschritt! Bei unseren Texten dreht sich alles (nicht nur bei „HEM“) um Geschichte, Sagen, Natur und gelegentlich auch um persönliche Erlebnisse. Jeder, der darin eine Gefahr sieht, ist paranoid und damit keiner Beachtung meinerseits wert, da mein Schulabschluss nicht fürs Psychologiestudium gelangt hat, hehe…
Wir werden unsere Texte weiterhin so schreiben wie sie aus dem Bauch kommen und nicht so, dass sie möglichst niemanden weh tun, also ohne Rücksicht auf Verluste. Versprochen!
In den Songtexten wurden auch einige alte Geschichten von Euch verarbeitet. Sind das allesamt bekannte Erzählungen, oder habt Ihr tief buddeln müssen, um einen schon fast in Vergessenheit geratenen Stoff aufstöbern zu können? Wie seid Ihr da vorgegangen? Akribisch recherchiert oder per Zufall drüber gestolpert?
Kai: Bekannte Geschichten eher nicht, aber es geht um die sächsische Heimat, vor allem um ältere Sagen. Da haben wir uns in Büchern, Internet und so weiter bedient.
Im langen Opener „Land aus Stein“ wird die Entstehung der Sächsischen Schweiz und die Liebe zur schönen Heimat zum Ausdruck gebracht.
Bei „Hexenpest“ geht es darum, wie eine sogenannte Hexe die Pest nach Pirna brachte. Das war ganz kurios, aber da fließen Fiktion und die wirkliche Geschichte wohl ineinander. Zum Schluss wurde sie posthum mit dem Grabscheit noch enthauptet, weil die Menschen Angst hatten, dass sie noch mehr Tote nach sich zieht – und das steht in den Geschichtsbüchern geschrieben, nur das Drumherum haben wir etwas ausgeschmückt, denn es muss ja auch zur Musik passen.
„Blutregen“ basiert auf Vorkommnissen, denen nach es vermeintlich Blut geregnet haben soll. Zudem soll im Brot und anderen Dingen auch Blut aufgetaucht sein.
Im Song „Höllentor im Schäfergrund“ geht es um einen Dieb, der bei Dohma in der Nähe von Pirna sein Unwesen trieb. Später wurde er im Schäfergund – im Wald – vom Höllenfürsten überrascht, der mit einer Kutsche ankam und allen, die Böses taten, den Kopf abhackte, was dem Dieb eine Lehre sein sollte.
Alles echte Sagen also, die hier aus der Gegend stammen, jedoch kein Konzept, aber mit einem thematischen Überbau.
„Hussiten“ ist wiederum keiner Sage abgeleitet, sondern behandelt „echte“ Geschichte, wie die heutigen Sachsen letztendlich zu ihrem Namen kamen. Es dreht sich aber alles um die Sächsische Schweiz und Umgebung. Der Raubritter Dietrich von Bern zum Beispiel zieht nach Sonnenuntergang peitschenknallend, pfeifend und schießend mit einer lautstark bellenden Hundemeute in den höheren Luftregionen als Jäger umher, obwohl er schon seit Jahrhunderten tot ist. Er sitzt als feurige Spukgestalt mal mit und mal ohne Kopf auf seinem bleichen Pferd und erschreckt die Wanderer unter ihm. Dietrich findet keine Ruhe – das ist die Strafe für sein Leben als Wegelagerer, als er die Menschen in Angst und Schrecken versetzte. Noch heute, so will es die Sage, wird er gesichtet.
„Pan Dietrich“ erzählt von einem Händler, der nach erfolgreichen Geschäften über den Valtenberg seinem Zuhause zustrebt, beim Höllenritt Dietrichs vor Schreck stürzt und das Bewusstsein verliert. Erst nach Tagen wird er gefunden und heimgebracht (ob tot oder noch lebend?)
Einzig das letzte Lied „Ewig Gang“ steht für sich selbst als etwas Persönliches.
Wie seht Ihr Euch selbst im Spiegel nach über 25 Jahren Bandgeschichte? Irgendwelche Verschleißerscheinungen zu vernehmen? Oder wollt Ihr noch weitere 25 Jahre nachlegen? Glaubt Ihr, dass Ihr in der Lage sein werdet „HEM“ noch zu überbieten? Das wird definitiv keine leichte Aufgabe, soviel steht schon mal fest. Aber Aufgeben ist keine Option, oder? Zumindest schätze ich Euch so ein…
Kai: Als wir die Band gründeten, war eigentlich klar, dass es die ultimative Sache überhaupt sein wird! Natürlich gab es immer ein Auf und Ab, doch zum Zeitpunkt, als Andy und Pommes bei uns einstiegen, war die Band wirklich an einem echten Tiefpunkt. Nachdem ich anfing an den ersten Ideen für „Saksen“ zu arbeiten, haben wir gemerkt, dass wir in dieser Konstellation viel mehr erreichen können als je zuvor (auf musikalischer wie auch privater Ebene). Also sagten wir uns, dass wir den Finger ziehen müssen, um unser Lebenswerk weiterzuführen! Von da an ging es (mit neuem Plattenvertrag in Aussicht) wieder bergauf, und wir sind seit 2008 in gleicher Besetzung! Ob es noch einmal 25 Jahre werden, das wird sich zeigen, da die Zeit ja bekanntlich im Alter immer schneller verrinnt, wodurch das nächste Vierteljahrhundert vielleicht doppelt so schnell vergehen wird…
Aufgeben war nie eine Option, egal wie viele Steine im Weg lagen! Verschleißerscheinungen kann ich auch nicht feststellen, und wenn ich bei der Probe immer noch Gänsehaut bei unseren Songs bekomme, ist alles im Lot.
Nach „HEM“ werden wir uns erst einmal nach und nach um Neuaufnahmen von „Highlights“ der vergangenen 26 Jahre kümmern. Wir wollen „HEM“ damit nicht überbieten, doch wir wollen den Fans das Potential dieser Stücke in ordentlicher Qualität nahebringen. Natürlich wird sich eventuell auch etwas neues Material ergeben!
Ihr seid in der Szene ja ziemlich umtriebig. Wie schätzt Ihr diese aktuell ein? Eher sterbend, weil vielleicht immer weniger echtes Metal-Herzblut in den Körpern der Hörer fließt, oder womöglich doch wie der Phönix, der nicht totzukriegen ist? An dieser Stelle danke ich Euch auch für das nette Gespräch sowie Eure kostbare Zeit!
Andy: Eher wie die Hydra. Du hackst einen Kopf ab und zwei wachsen nach. Das Verhältnis von Bands und Publikum stimmt nicht ganz, was sicherlich an der Übersättigung des Marktes liegt. Aber das könnte sich mit dem Ende der ganzen Corona-Kacke schlagartig ändern. Die Metal Community ist ausgehungert und wir sind willig ihr zu geben, was sie braucht. Bässe in die Fresse! So, mein Phrasenschwein ist für heute genügend gefüllt. Wir danken Dir ebenfalls für dieses anregende Gespräch! Man sieht sich! Prost!