Interview mit Surturs Lohe (Ragnfalt)

Surturs-Lohe-Seelenheim-Bandfoto
Die thüringische Band Surturs Lohe kann reinen Gewissens als eines der Urgesteine der heidnischen deutschen Klangkunst im Metal-Sektor angesehen werden, denn ihr Gründungstag liegt bereits ganze zwanzig Jahre zurück. Im Zuge dieses Jubiläums wird nun das vierte Surturs-Lohe-Studioalbum mit dem kraftvollen Titel „Seelenheim“ erwartet, das Anfang September dieses Jahres über Einheit Produktionen herausgebracht werden soll. Grund genug bei der Band anzuklopfen, um nachzuhorchen, was es sonst noch so alles über Surturs Lohe zu berichten gibt. Da mir einige ihrer schönsten Lieder vom dritten Album „Nornenwerk“ einfach nicht mehr aus dem Ohr gehen wollen, freue ich mich ganz besonders Ragnfalt einige Fragen dazu stellen zu dürfen.

Sei mir aufs Herzlichste gegrüßt Ragnfalt! Zwanzig Jahre Surturs Lohe. Das vierte Album so gut wie fertig. Das ist ein Grund zum Feiern! Dennoch habe ich immer noch das Gefühl, dass selbst viele Pagan-Matal-Liebhaber noch kaum etwas bzw. gar nichts von Euch gehört haben. Kannst Du vielleicht deshalb zuerst einen kurzen Umriss Eurer Vergangenheit nachzeichnen und Surturs Lohe auf diese Weise vorstellen? Zwischenzeitlich gab es doch einige Trennungen in Eurem Gefüge, aus denen unter anderem die Band Helritt hervorgegangen ist, wenn ich richtig informiert bin. Wie ist der derzeitige Stand der Dinge in Eurem Lager?

Ich grüße Dich und ebenso die Leser des Waldhalla-Magazins. Nun, auf unserem Buckel häufen sich mittlerweile die Jahre ebenso wie die Ereignisse um die Band Surturs Lohe. Vor kurzem begangen wir im engen Kreis unseren zwanzigsten Jahrestag und hatten im Schein des Feuers die Gelegenheit, über vergangene Tage zu reden. 20 Jahre sind kein Pappenstiel. Unsere Bandgeschichte kann man als bewegt bezeichnen. Im Folgenden möchte ich versuchen das Wesentliche zusammenzufassen. 1996 gründete ich, Ragnfalt (Gitarre, Gesang), gemeinsam mit meinem Freund Tristan (Drums) die Band. Wir arbeiteten sofort unter dem Namen Surturs Lohe und waren beeinflusst von Bands wie Bathory, In the Woods… und Ulver. Natürlich waren unsere ersten Proben bis 1998 mehr als abenteuerlich, da wir eben nur eine Zweimannband waren und eben viel lernen und probieren mussten. Vom Songwriting hatten wir zu jener Zeit beinahe keine Ahnung. Dennoch muss ich aus heutiger Sicht sagen, dass wir auch in den Anfangstagen immer versucht waren einem ernsthaften, auf dem Heidentum basierenden Konzept zu folgen. Es muss 1998 gewesen sein, als Thomas Helm (Empyrium) zu uns stieß. Ein Jahr später nahmen wir in dieser Dreierbesetzung das Demo „Urda“ auf. Helm verließ Surturs Lohe, als seine Initiative bei Empyrium mehr und mehr gefragt war. Trotz aller Umstände fanden wir uns dennoch im Jahre 2000 wieder im Powertrack Studio ein, um unser Debüt „Wo einst Elfen tanzten“ aufzunehmen. Auch diese Aufnahmen kann ich aus heutiger Sicht als abenteuerlich beschreiben. Nach Klick wurde da nichts eingespielt. Einmal schlug Tristan bei der Aufnahme ein Mikrofon mit dem Drumstick aus der Halterung und bastelte es während des Spielens wieder dran. Wenn man die Stelle auf „Wo einst Elfen tanzten“ kennt, kann man die Geräusche hören. Ab dem Jahr 2001 formte sich bei Surturs Lohe ein fester Bandstamm. Am Schlagzeug sitzt seitdem Nidhöggr, der bereits seit 1994 bei der Band Tumulus trommelte. Reki übernahm den Gesang und Tyr’s Sohn die Gitarre. Gemeinsam komponierten wir das Album „Vor Walvathers Thron“, welches wir dann in Eigenregie aufnahmen und im Powertrack Studio mastern ließen. Mit diesem Album häuften sich damals bei uns die Konzertanfragen und Surturs Lohe traten immer öfter live in Erscheinung. Diese Wandlung missfiel mir damals, so dass ich mich ca. 2004 von der Band trennte, um Surturs Lohe vorerst auf Eis zu legen. Zu diesem Zeitpunkt war das dritte Album von Surturs Lohe beinahe fertig aufgenommen. Nidhöggr, Reki und Tyr’s Sohn gründeten daraufhin die Band Helritt und wir vereinbarten, dass sie das aufgenommene Material nehmen sollten, um einen guten Start mit Helritt zu haben. Gesagt, getan! 2006 legten Helritt das Debüt „Trotzend dem Niedergang“ vor, welches sehr gut angenommen wurde. Es folgten viele Konzerte und ich feilte währenddessen mit meiner Akustikgitarre an neuem Material für Surturs Lohe. Ich denke 2007 war mir klar, dass ich Surturs Lohe fortführen will, und wir starteten wieder im alten Dreierbund mit Reki, Nidhöggr und mir. 2009 nahmen wir den damals noch jungen Heißsporn Heidenherz (Fimbulvet) in unsere Reihen auf, der uns seither an der Gitarre beehrt. An den Bass folgte ein alter Freund der Band Wolfhetan von der gleichnamigen Band und den weiblichen Gesang und Flöten übernahm Alraun. Gemeinsam komponierten wir unser drittes Album „Nornenwerk“, das wir 2011 im Powertrack Studio einspielten. Unsere Live-Präsenz häufte sich wieder und glücklicherweise konnte ich mich mittlerweile mehr und mehr damit anfreunden. Rückblickend muss ich sagen, dass das „Nornenwerk“ für mich zu den Sternstunden der Band zählt. In diesem Album steckt so ziemlich alles, was wir zum damaligen Zeitpunkt musikalisch und lyrisch zu bieten hatten. Ich bin noch heute überaus zufrieden mit dem Material. In den letzten 5 Jahren verging kaum Zeit, die für Surturs Lohe musikalisch ungenutzt blieb. Die Kompositionsarbeiten und der Schaffensprozess der Texte waren nie so intensiv wie in dieser Zeit. Seit dem Beginn dieser Phase stieg Ralph (Bass, Akustikgitarre), der vorher bei Odroerir aktiv war und bei Menhir es noch ist, ein und bereichert uns seither mit seinen Ideen. Nun stehen wir kurz vor dem Abschluss der Aufnahmen unseres vierten Albums namens „Seelenheim“, welches über das Label Einheit Produktionen veröffentlicht wird. Wir können den Veröffentlichungstermin am 02.09.2016 kaum erwarten und brennen darauf, das Album mit allen zu teilen.

So wie Du es geschildert hast, könnte also Helritts „Trotzend dem Niedergang“, ein Album, das ich nebenbei bemerkt sehr wertschätze, irgendwo auch als eine inoffizielle Scheibe von Surturs Lohe betrachtet werden, nicht wahr? Mit Eurer aktuellen und wie ich hoffe endgültig stabilen Besetzung ist Helritt aber endgültig ad acta gelegt, oder doch nicht? Entschuldige bitte, dass ich immer noch in der Vergangenheit verweile, aber dies sind mir auf der Zunge brennende Fragen, die mir noch keiner bisher zu beantworten vermochte. Ebenso würde ich gerne wissen, warum Ihr Euch bei der Gründung nach dem Feuerriesen Surtur, einem Feind der Asen, benannt habt? Verbindet Ihr irgendetwas Bestimmtes mit ihm?

„Trotzend dem Niedergang“ als inoffizielles Release von Surturs Lohe zu bezeichnen ist zu viel gesagt. Dieses Album ist und bleibt Helritt! Vielleicht waren wir damals, als wir noch unter Surturs Lohe an den Songs arbeiteten, schon mehr Helritt als Surturs Lohe? Ich denke, dass dieses Album exemplarisch dafür hergenommen werden kann, um aufzuzeigen, wie sich Bands verändern können und wo Trennlinien gezogen werden müssen. Sozusagen etwas Altes zerstören, um für neues Platz zu schaffen. „Trotzend dem Niedergang“ ist der Markstein für einen solchen Moment in der Bandgeschichte von Surturs Lohe. Die Frage, ob sich Helritt aus dem Brachliegen erheben wird, kann ich nicht beantworten, da ich die Geschicke dieser Band nicht lenke. Aber eines kann ich vorweg nehmen: Ich glaube nicht, dass Helritt ihr letztes Wort gesprochen und ihre letzte Note gespielt haben.

Nun, um auf Deine Frage zur namensstiftenden Gestalt Surtur einzugehen, möchte ich sagen, dass mich die Geschichte zu Ragnarök besonders faszinierte. Der Feuerriese Surtur, der Herr im Muspelheim, ist hier die zentrale Figur. Mit seinem Schwert entfachte er den Weltenbrand und vernichtete so alles was bisher gewesen ist, um Neues wieder entstehen zu lassen. Zum ersten birgt die Figur Surtur einfach ein großartiges Potential für eine Metal Band in sich (Feuer, Krieg, Zerstörung). Surtur ist ein regelrechter Kraftbegriff. Zum zweiten beschreibt diese uralte Geschichte die Basis unseres zirkulären europäischen Denkens. Ragnarök kann als Pseudonym für den Kreislauf der Jahreszeiten und die Zirkularität des Todes und den Glauben an die Wiedergeburt angesehen werden. Ragnarök ist dann eben nicht das Ende, es stellt etwas Neues dar. Und Surtur und seine Muspelsöhne lösen fiktiv diesen Prozess aus. Ich finde, dass Surtur DIE Umschreibung ist, welche gepaart mit der Flamme stellvertretend für meine Band stehen soll. Dieses zentrale Thema wird auch in Form eines Stückes auf unserem vierten Album „Seelenheim“ aufgegriffen werden.

Du meinst sicherlich das Stück „Lohe Surt“, eines der drei Lieder, in die ich schon vorab reinhören konnte, nicht wahr? Schon direkt beim ersten Hörgang wurde ich komplett von diesem Song mitgerissen, so dass ich mich jetzt schon wie ein Schneekönig auf das neue Album von Euch freue. Wird sich das gesamte Liedgut Eures neuen Machwerkes auf die Ragnarök-Sage beziehen? Oder wofür steht der Albumtitel „Seelenheim“?

Das freut mich, dass Dich der Song mitreißen konnte. Ich möchte noch nicht zu viel verraten, aber „Lohe Surt“ ist ein Lied, welches sehr aufbrausend und kriegerisch daherkommt. Der flammenden Gewalt Surturs ist es gewidmet. Wie Du schon sagst, bezieht sich „Lohe Surt“ thematisch auf Ragnarök. Und wie schon von mir angedeutet, kann diese Sage stellvertretend für einen mythologischen Aspekt betrachtet werden, welcher im Volksglauben tief verwurzelt ist. Das Thema „Tod und Wiedergeburt“ ist eben nicht nur in der nordischen Mythologie essenzieller Bestandteil, auch der deutsche Volksglaube überliefert immer wieder Geschichten und Sagen, die sich mit dem Tod und den Seelen auseinandersetzen. Der Begriff „Seelenheim“ beschreibt den Aufenthaltsort von Seelen, welche nach dem Tode aus dem Körper wandern, um in einen Baum, ein Tier, in einen Berg oder in die Lüfte überzugehen. Eine der berühmtesten Geschichten ist die vom Kaiser Barbarossa, dessen Seele einem Berg innewohnt. Zwei Strömungen von mythischen Vorstellungen lassen sich mit bei den Indogermanen aufzeigen, Seelenverehrung und Naturverehrung; beide berühren sich oft eng und verschmelzen zu Einem, so dass sie nicht immer auseinanderzuhalten sind. Das Faszinierende ist, dass Abwandlungen dieses uralten heidnischen Seelenglaubens durch das Erzählen von Geschichten bis in die Neuzeit überliefert wurden und werden. Das textliche Konzept des Albums „Seelenheim“ setzt sich mit den zentralen Elementen des Kreislaufs von Geburt, Leben, Tod, Jenseits und Wiedergeburt auseinander.

Surturs-Lohe-Seelenheim-Cover

Was wird man musikalisch auf „Seelenheim“ erwarten können? All das, was „Nornenwerk“ zu einem so starken Album macht? Oder habt Ihr Euch an irgendwelche neuen Experimente herangewagt?

Nach der Veröffentlichung des Albums „Nornenwerk“ war es uns gewahr, dass es schwierig werden wird auf dieses „Standardwerk“ (so einige Pressestimmen) noch eins draufzusetzen. Das war und ist aber definitiv unser Anspruch gewesen. Und wenn wir nun auf das aufgenommene Material schauen, dann sind wir uns sicher, dass das, was Euch im September erwarten wird, das mächtigste und erhabenste Pagan-Metal-Album sein wird, das Surturs Lohe je veröffentlicht haben. Wir sind auf die Kompositionen sehr stolz und wenn ich darüber nachdenke, dass wir mit einem weiteren Album an „Seelenheim“ anknüpfen müssen, wird mir Angst und Bange. Seit dem Jahr 2011 hat sich die Band selbstverständlich musikalisch und lyrisch deutlich weiterentwickelt. „Seelenheim“ wird viel Metal bieten, es kommen allerdings ebenso Flöten, Piano, Cello wie auch Akustikgitarren und mächtige Chorgesänge zum Einsatz. Im Endeffekt wird es aber ganz klar Surturs Lohe sein, was es zu hören gibt. Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Weiterentwicklung und Authentizität. Diesen Weg mussten wir aber gehen, um nicht ein zweites „Nornenwerk“ aufzunehmen. Es wird natürlich auch eine musikalische Überraschung geben. Aber hört selbst.

Einige Melodien aus „Nornenwerk“, z. B. aus „Weltenbaum“ oder aus dem Refrain von „Im finst’ren Tannengrund“, wollen mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen, so stark haben sie sich nach nur wenigen Durchläufen (wohl für immer) in meinen Gehörgängen verankert. Wie schreibt man solch eine mächtige Musik? Sind es womöglich spontane Einfälle oder meditierst bzw. sinnierst Du lange über eine Melodie nach? Oder rennst Du vielleicht nachts bei Vollmond nackig durch finst’re Tannenwälder, auf der Jagd nach der Inspiration?

Haha, nach den bisher von der Band getätigten Investitionen für die neue Scheibe müsste man wohl meinen, dass wir bar unserer Kleider durch finstere Wälder huschen müssten. Nein, es freut mich sehr, solch ein Lob zu bekommen. Es ist in der Regel so, dass alle sechs Bandmitglieder am Kompositionsprozess weitestgehend beteiligt werden. Was das „Ausdenken“ von Melodien angeht, so legen wir wirklich höchsten Wert auf die Qualität der Melodie. Da kann es schon mal sein, dass wir Wochen über einen Melodiebogen mit sechs bis acht Noten brüten. In das Musikstück lassen wir dann nur das hinein, was uns hundertprozentig überzeugt. Im Kompositionsprozess für „Seelenheim“ mussten wir immer wieder aus der Arbeit heraustreten, um objektiv und kritisch die Songs hören zu können, wobei sich dann doch immer wieder einiges relativierte und auch verworfen wurde. Nur das Beste für unsere Zuhörer und natürlich unseren eigenen Anspruch!

Was die Quellen der Inspiration, aus der wir schöpfen, angeht, so kann ich hier erst mal nur von mir sprechen. In erster Linie ist es eben Musik, die mich inspiriert. Das sind Platten wie „Twilight of the Gods“ von Bathory, Manowar, Maiden, Satyricon oder die ersten drei Ulver-Alben. Ich höre aber auch viel Klassik (Tschaikowski, Rimski-Korsakow, Mussorgski oder Wagner). Unsere Sängerin Alraun kommt ganz und gar aus der klassischen Musik. Wohl ist es aber auch sicher unsere Mutter Natur, welche uns indirekt dazu anstiftet, unsere Gefühle und Verbundenheit in Ton und Wort zu äußern.

Dass Euch unter anderem die Mutter Natur zu eurer Schöpfung anstiftet, das ist unüberhörbar. Wenn doch alle Menschen sich bei all ihrem Tun von ihr inspirieren und beflügeln lassen würden, dann wäre die Welt ein viel schönerer und friedlicherer Ort, meinst Du nicht auch?

Schön wäre das. Doch ich denke, die Formel „Inspiration durch Natur = Schönheit und Frieden“ geht nicht ganz auf. Was ich meine, ist, dass man es einfach nicht verallgemeinern kann. Es liegt ganz im Wesen des Einzelnen, ob er überhaupt erst einmal erkennt, was ihn umgibt, dass es etwas Schönes ist, was dort draußen ist, und er anerkennt, dass er als Mensch eben nicht die „Krone der Schöpfung“ ist, sondern lediglich eine Laune der Natur. Eine solche Haltung lehrt Respekt vor dem Leben und bringt den Menschen zurück zu den wirklich wichtigen Dingen, die unsere Erde bereithält. Und wenn unsere Kinder eines Tages nicht mehr fragen wie die Tiere und Pflanzen heißen, nicht wissen welche Berge sie umgeben und nicht die Namen der heimischen Flüsse und Seen kennen, dann kann unsere Gesellschaft keine respektvollen und interessierten Menschen mehr hervorbringen, Menschen die wissen, was wirklich wichtig im Leben ist. Stattdessen laufen wir aktuell Gefahr, dass von Natur aus offene und interessierte Kinder mit Smartphones, Tablets und Apps bespaßt werden, bis auch der letzte Funken kindlicher Neugier erloschen ist. Aber das scheint wohl der Preis des Fortschritts mit sich zu bringen. Da ist kaum mehr Platz für das Interesse an der Natur, höchstens dafür, wie man die Natur für kommerzielle Interessen umgestalten und ausräubern kann.

Der Mensch als „Krone der Schöpfung“ – dieser Irrtum wird ja auch von den großen Religionen, welche den Gläubigern einen nicht auf dieser Welt zu findenden paradiesischen Ort in Aussicht stellen, propagiert. Könnte es vielleicht sein, da dies einer der Grundsteine für den im Allgemeinen schlechten Umgang des Menschen mit der Natur ist?

Ich glaube mich zu erinnern, dass im ersten Buch Mose der Mensch dazu aufgerufen wurde, sich selbst zu krönen, um über das Getier und die Pflanzen zu herrschen, da er als Schlusspunkt der Schöpfung zu betrachten sei. In dieser Schrift wird der Mensch von Gott angehalten sich die Erde zum Untertan zu machen, da Gott den Menschen nach seinem Ebenbild erschuf. So wird es im Genesis den Gläubigen angeboten und sie nehmen diese vermessene Grundhaltung in sich auf, um sie von Generation zu Generation weiterzugeben. Evolutionär gesehen ist diese Schöpfungsthese Unfug und haltlos, da sie davon ausgeht, dass Gott den Menschen „fertiggestellt“ hat. Doch wissen wir alle, dass in unserer DNA sich die Genvielfalt nicht nur verändert, sondern auch immer rascher zunimmt. Und das nicht erst seit den letzten 2000 Jahren. Was ich damit sagen will, ist, dass der Mensch entwicklungstheoretisch kein abgeschlossenes Lebewesen ist, sondern sich weiter verändert. Dass diese Veränderung nicht unbedingt zur „Krone der Schöpfung“ führt, soll folgende Anekdote verdeutlichen: Ein Wissenschaftler, welcher sich mit Tierintelligenz auseinandersetzt, machte ein Experiment, bei welchem er drei Schimpansen in einen Raum ließ, in welchem zwei Hartholzstöcke und Nüsse lagen. Der Wissenschaftler wollte herausfinden, ob die Affen die Stöcke als Werkzeug erkennen. Es dauerte ca. 5 Minuten, bis die Affen verstanden hatten, dass sie die Stöcke als Werkzeug zum Öffnen der Nüsse benutzen können. In dieselbe Situation gab er dann drei Zehntklässler eines Gymnasiums, welche im Resümee nicht ansatzweise in der Lage waren, die Nüsse zu öffnen. Das ist kein Witz, sondern Tatsache! Und wie war das jetzt nochmal mit der Schöpfungsgeschichte und der Krone?

Viele der wichtigsten Ideale, auf denen eine harmonische Grundordnung basiert, werden in unserer modernen Gesellschaft mit den Füssen getreten bzw. gar nicht mehr gelebt, so meine Beobachtung. Welchen Idealen folgt Surturs Lohe? Und was denkst Du, sind Ideale überhaupt noch wichtig für eine Band heutzutage, oder ist es bloß etwas Antiquiertes, was keiner mehr braucht?

Wenn man die Musik als Kunst und/oder als Medium des persönlichen Ausdrucks ansieht und die Künstler es damit auch ehrlich meinen, dann bin ich mir sicher, dass der Musik gute Ideale zu Grunde liegen. Ich bin der Meinung, dass die Fans und Zuhörer ganz schnell mitbekommen, ob eine Band aufrichtig ist und es ernst meint mit dem was sie anbietet oder eben nicht. Da ist unser Körper der beste Resonanzboden. Schaue ich mir im Internet Videos von manch kommerziell orientierten Bands an, dann überkommen mich oftmals Schauer von „Fremdschamgefühlen“. Gerade im modernen Pagan Metal findet meines Erachtens ein absoluter Ausverkauf statt. Sensible und intime Themen werden oberflächlich und inflationär benutzt und für selbstdarstellerische Zwecke missbraucht. Doch Du fragtest, wofür Surturs Lohe steht. Wir stehen in erster Linie für die uns verbindende Liebe zur Musik und für die, die diese mit uns teilen. Wir stehen für das Alte und Vergangene, für die Geschichten und Sagen, die immer mehr verstummen. Und wir ehren das Erbe, was uns kulturell gegeben wurde.

Du hast nun auch schon die aktuelle Pagan-Metal-Szene angeschnitten. Denkst Du, dass diese, ganz speziell die unsrige in Deutschland, am kränkeln ist? Von vielen Bands wie z. B. Menhir oder Taunusheim, die es mit dem Heidentum aus dem Grunde des Herzens ehrlich meinen, hört man schon seit langem kaum noch etwas. Schaffen sie nicht gerade dadurch, dass sie die Liebhaber ihrer Musik quasi verhungern lassen, Raum für die vielen oberflächlichen Selbstdarsteller und den Ausverkauf der Szene?

Die Szene hat sich stark verändert. Als wir vor 20 Jahren anfingen solche Musik zu machen, sah die Bandlandschaft mit heidnischem Hintergrund noch gänzlich anders aus. Da gab es in Thüringen vielleicht acht Bands, davon drei in Südthüringen (Tumulus, Menhir und Surturs Lohe). Heute sind es um eine Vielzahl mehr. Thüringen gilt ja ganz und gar als eine Hochburg des Pagan Metals. Ob diese vielen neuen Bands es ehrlich meinen mit dem was sie tun, möchte und kann ich nicht beurteilen. Ich glaube sogar, dass sie von dem überzeugt sind, was sie tun. Allerdings unterscheiden sich deren Ideale und Grundhaltungen zu den Themen, der Musik, der Lyrik und der Geschichte mit den unsrigen immens. Und da ist es eben ein sehr wichtiger Aspekt, dass man sich mit dem, was man für seine Band schafft (musikalisch, lyrisch und optisch), intensiv auseinandersetzt. Dieser Prozess braucht so viel Zeit und kreative Energie! Das ist der Grund warum es um einige Bands für Jahre still wird. Weil sie es ernst mit dem meinen, was sie der Zuhörerschaft anbieten wollen, und weil ihr eigener Anspruch sehr hoch ist. Und dann gibt es auch immer wieder Phasen, wo die Musen nicht herabsteigen wollen. Raum für Oberflächlichkeit oder Selbstdarstellung ist da keiner, wenn man der Stilbezeichnung „deutscher Pagan Metal“ einen international anerkannten und positiv bewerteten Status ausstellen möchte. Die norwegischen Bands sind Anfang der 90er auch nicht auf jeden Zug aufgesprungen, der vorbeifuhr. Die haben einfach ihr Ding durchgezogen und sich ganz klar von anderen Stilrichtungen abgegrenzt. Sie haben sich ein markantes Sonderstellungsmerkmal erarbeitet. Was daraus wurde, wissen wir ja alle. Die Entwicklung hat sich dort ja ähnlich vollzogen wie bei uns. Der „deutsche Pagan Metal“ ist mittlerweile ein Konglomerat aus vielen musikalischen und thematischen Einflüssen. Aber im Hauptaugenmerk erscheint er mittlerweile eher weniger ernsthaft und austauschbar. Das ist sehr schade. Ich kann nur hoffen, dass die „alten“ Bands weiter durchhalten und/oder sich wieder erheben, um mit authentischer Kunst zu trumpfen.

Zum Glück trumpft Ihr ja mit „Seelenheim“ bald wieder auf, was in der deutschen Pagan-Metal-Szene sicherlich einen weiteren Akzent setzen wird. Davon bin ich überzeugt! Diesmal habt Ihr mit Olaf und Einheit Produktionen ein neues Label auf Eurer Seite, einen Partner, der gewiss ein Überzeugungstäter ist und sicherlich dieselben Ideale wie Ihr verfolgt, und alleine schon aus diesem Grund viel besser zu Euch passt als das mit dem zweifelhaften Ruf besudelte Label Christhunt Productions. Ich denke, dass Ihr diesbezüglich in eine aussichtsreiche Zukunft blicken könnt, oder?

Wir haben mit Olaf und Einheit Produktionen nicht nur ein neues Label, welches zuverlässig arbeitet, sondern auch einen starken Partner gefunden, der vieles für die Band möglich macht und organisiert. Olaf ist eben auch ein „Musikfanatiker“, so wie wir alle. Er brennt dafür, was er tut, und das spüren wir als Band. Wir fühlen uns bei Einheit Produktionen bisher sehr gut aufgehoben. Dass die Chemie zwischen uns und Einheit stimmt, war nach einem ersten Treffen bei einer Kahnfahrt im Spreewald klar. Olaf und sein Team durften wir als sehr offene und gastfreundliche Menschen kennenlernen. Ich denke und hoffe, dass wir noch so manchen Pfad gemeinsam beschreiten werden. Wenn ich mir vor Augen halte, was Olaf schon alleine vor dem Erscheinen von „Seelenheim“ für uns organisiert hat, merke ich erst einmal, was die vielen Jahre zuvor an uns vorbeigegangen ist. Das Ergebnis dieser fruchtbaren Zusammenarbeit werden wir Euch am 02.09.2016 präsentieren, wenn das Album „Seelenheim“ für jedermann zu haben sein wird.

Ja, eine Kahnfahrt die ist lustig! Und Olaf hat auch eine Spreewald-Tour mit Euch organisiert, wie ich mitbekommen habe. Leider konnte ich da aus zeitlichen Gründen nicht hin, auch wenn ich selbst relativ oft im Spreewald verkehre. Immerhin bin ich 2009 extra wegen Euch nach Ruhla zu dem ersten Waldeshall Festival angereist, zu Eurem ersten Konzert nach einer langen Pause. Von nun an werdet Ihr aber hoffentlich viel häufiger auf den Bühnen zu sehen sein, darf man wohl annehmen?

Das Waldeshall Festival liegt nun auch schon wieder einige Jahre zurück. Der Auftritt stellte allerdings eine Art Neustart der Band Surturs Lohe dar. Dieses Konzert war Ausdruck von dem, was wir vorweg beschlossen hatten. Und das war, dass wir bereit waren, überhaupt wieder auf eine Bühne zu steigen. Ein Surturs-Lohe-Konzert, so waren wir uns einig, soll etwas Besonderes sein und so spielten wir über die vergangenen Jahre seit dem Waldeshall drei bis vier Shows im Jahr. Mittlerweile sind wir uns sicher, dass das Besondere von Surturs Lohe durch mehrere Konzerte im Jahr nicht nur erhalten bleibt, sondern vielmehr noch gesteigert wird. Erstens sind wir extrem motiviert die neuen und alten Lieder live dem Publikum zu präsentieren, und zweitens haben wir unglaublich viele Ideen, wie wir unsere Konzerte mit optischen und klanglichen Überraschungen anreichern werden. Also seid gespannt! Einige Termine stehen schon fest. Um aktuell informiert zu sein, schaut auf unserer Facebook-Seite nach.

Man kann auch hoffen, dass durch den Wechsel zu Einheit Produktionen der Antifa, welche in der Vergangenheit Eure Konzerte zu boykottieren versuchte, auch endlich der Nährboden für ihre absurden Behauptungen und Vorurteile entzogen wurde. Oder habt Ihr immer noch Stress mit dieser übereifrigen und oftmals blind handelnden Organisation?

In den letzten Jahren gab es aus dieser Richtung überhaupt keine Meldungen mehr, was Surturs Lohe betrifft. Darüber sind wir sehr froh, da wir wirklich nur unsere Musik machen wollen. Ich hoffe, dass mittlerweile wahrgenommen wird, von wem auch immer, dass wir keine politischen Botschaften unterbreiten. Für uns steht die Musik über allem. Das verbindet uns mit unseren Zuhörern, egal welche Religion oder Hautfarbe sie haben.

Das ist eine klare Ansage, die jedem „modernen Möchtegern-Inquisitor“ verständlich sein müsste! Ragnfalt, ich bedanke mich für Deine wertvolle Zeit und wünsche Surturs Lohe stets einen starken Rückenwind, damit das heidnische Feuer in Euren Herzen nie zum Erlöschen kommt! Falls Du noch etwas loswerden möchtest, was bei meinen Fragen zu kurz oder gar nicht zum Zuge gekommen ist, dann hast Du jetzt noch die Möglichkeit dazu.

Hab Dank für die spannenden und tiefgehenden Fragen. Den Rahmen möchte ich nutzen, um mich ausdrücklich für die Unterstützung unserer Fans zu bedanken. Wir verneigen uns vor Euch! Bleibt wahrhaftig, liebt die Natur und achtet das Alte! Wir werden Euch mit dem neuen Album „Seelenheim“ das zurückgeben, was Ihr uns über 20 Jahre gegeben habt!

(Bilder: © Surturs Lohe)