Saor live? Aber dann bitte auch in schottischen Gefilden! Als ich letztes Jahr zur Wintersonnenwende irgendwann erfuhr, dass es in Glasgow ein Konzert mit Saor geben würde, und ich meiner Frau mitteilte, dass ich da wirklich gern hin würde, war sofort klar, dass wir mal wieder Urlaub in Schottland machen würden. Wäre ich ein Verschwörungsfanatiker, würde ich vermutlich behaupten, es sei ihr Werk.
Jedenfalls bedeutete dieses Konzert den prächtigen Abschluss eines weiteren Urlaubs im Land der Highlander. Wir kamen bereits den Donnerstag in Glasgow an, um uns etwas zu erholen, und schauten Freitag kurz bei der Location vorbei, damit wir diese des abends leichter finden würden. Außer einer engen Gasse mit großen Mülltonnen erwartete uns dort jedenfalls erst einmal nichts. Mit etwas Unbehagen wagten wir uns dann aber dennoch weiter vor und fanden dann die Pforten des „Stereo“ in dieser kleinen, nicht so schmucken Gasse, von der wir anschließend wieder schnellstmöglich zur belebten Straße wechselten – denn dort wirkte es fast wie an einem Ort aus dem Film „Trainspotting“.
Nachdem wir uns dann in der Drygate Brewery (direkt gelegen an der hiesigen Tennent’s Brewery) stärkten, war es dann auch fast soweit. Noch schnell zur Unterkunft, Hund abgestellt (er durfte leider nicht mitrocken), Kutte an und los. Die kleine verschrobene Gasse war nun auf einmal belebt! Mehr Menschen als Mülltonnen! Das „Stereo“ ist nicht nur eine Location für Konzerte wie wir feststellten, sondern auch eine Bar! Relativ verwirrt fragen wir zwischen all den fröhlich trinkenden und speisenden Menschen, wo denn nun das Konzert stattfinden würde. Panik machte sich bereits breit! Doch dann die erleichternde Antwort: „Da hinten rechts, die kleine Tür rein.“ Ehrlich: Die hätte man auch mit ’nem Klozugang verwechseln können! Also ab zur Tür und noch mehr Erleichterung: Ein Saor-Merchstand! Nachdem wir uns ein leckeres Birds & Bees Summer Ale geholt haben, gab’s erstmal Band-Support in Form eines Großeinkaufs.
Pünktlich um 7:00 Uhr startete dann die erste noch sehr junge Band „First Temple of the Atom“ aus Glasgow in einer gemütlichen Atmosphäre und auf einer kleinen Bühne. Zugegeben, die krächzende Stimme des Frontmanns war anfangs etwas merkwürdig, aber die halbstündige Performance aus thrashigen Vocals, spacig melodischen Gitarrenlayern, einer Prise Progressivität und teils Verwendung von Dudelsack war ein gelungener Einstand. Schade, dass es (noch) keine Tonträger von dieser Band gibt.
Als zweite Band, ebenfalls mit einer halbstündigen Spielzeit, standen Úir auf der Bühne, die ebenfalls wie Saor sehr mit ihrem Land verbunden sind. Lyrisch sicherlich eine wunderbare Sache, live gespielt allerdings sehr düster und teils langsam, so dass schnell eine gewisse Monotonie entstand, die in der dunklen Halle ein wenig zur Müdigkeit und einem weiteren Ale führte.
Nach kurzer Wartezeit starteten Saor dann endlich um ca. 20:45 Uhr. Ich bin zwar gegen den Begriff Fanboy, aber spätestens nach dieser Live-Darbietung bin ich es! Denn als die ersten Töne des Songs „Guardians“ ertönten und sich meine Nackenhaare aufstellten, wusste ich mit Sicherheit, dass ich einer bin! Ein fantastischer, glasklarer Sound brach von der in tiefes Blau gehüllten Bühne über uns hernieder. Der erste Eindruck ist ja bekanntlich immer der Wichtigste, und bei solchen, teils filigranen Kompositionen ist der Sound stets ein wichtiger Faktor für mich. Aber die relativ jung geformte Live-Band um Andy Marshall klingt, als ob sie schon jahrelang zusammenspielen würde. Eine perfekte Abstimmung, die sicherlich Andys Perfektionismus zuzuschreiben ist. Ebenso gibt es bei Saor diesen einen Musiker, der Dudelsack und Flöte im Wechsel einbringt und fröhlich über die Bühne hoppelt – eine sympathische Sache. Einzig die Piano-Parts wurden anscheinend von Band eingespielt, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Im Gegenteil, zum Ende des Songs hat das Publikum zur Melodie mitgejodelt! Als zweiter Song folgte sogleich „The Declaration“, zwar etwas schwächer und nicht ganz so ein eingängiger Song wie der Opener, aber dennoch eine gute Wahl. „Hearth“ bildete nunmehr die Mitte der Setlist, da jeder Song eine Spielzeit von über 10 Minuten besitzt, die dann im „Tears of a Nation“, dem vierten gespielten Track des neuen Albums, mündete. Anfangs relativ harsch, baut sich in diesem Song eine dermaßen intensive Spannung und Melancholie auf, dass er mir kurzerhand Tränen in die Augen trieb, als der Klimax mittels Dudelsack erreicht wurde und diese schottische, tieftraurige Melodie einsetzte, die mich stets an „Auld Lang Syne“ erinnert… Zum krönenden Abschluss setzten Saor mit dem Titeltrack des zweiten Albums „Aura“ noch einen drauf, um das Publikum gänzlich zu plätten. Warum der Dudelsackspieler die Hörer allerdings aufforderte einen Moshpit zu starten, ist mir ein Rätsel. Es gibt Dinge, die müssen echt nicht sein, zumal dies nicht die passende Musik für solch einen K(r)ampf ist.
Nun, es gab zwar keine Schottenröcke, dafür aber eine bodenständige autarke Band, die ihr Können absolut unter Beweis gestellt hat. So muss Musik sein: Sie muss berühren! Wer also die Chance haben sollte, Saor einmal live zu erleben, der sollte diese unbedingt nutzen. Von YouTube-Videos eines Konzerts würde ich an der Stelle allerdings abraten – das kann man auf Dauer nicht ertragen! Ich danke den Herrschaften von Saor jedenfalls für eine wunderbare Erinnerung an diesen Abend in Glasgow. Sláinte!