Das Debütalbum „The Forgotten Song“ der bulgarischen Band Aegonia, welches auf der gleichnamigen Fantasy-Novelle von Nea Stand basiert, entpuppte sich als eine überaus musikalische Überraschung für mich, die mir wieder einmal, und dazu auch noch sehr eindrucksvoll zeigt, dass unsere osteuropäischen Nachbarn nicht nur Folk Metal spielen können. Denn entgegen meiner Erwartung, wieder eine dieser typischen Folk-Metal-Bands in den Händen zu halten, kristallisierte sich Aegonia bereits nach nur wenigen Minuten Spielzeit als ein äußerst vielseitiges metallisches Gesamtpaket heraus. Dennoch ist in den ersten Tönen des Albums der typische osteuropäische Folk-Gesang zu hören, welcher aber mehr im Hintergrund agiert. Was hier jedoch besonders hervorsticht, das sind die zahlreichen, in die Songs eingebundenen Effekte von Naturgeräuschen wie Wind und Donner, plätschernden Wassertropfen oder Grillenzirpen. Zusammen mit der oft tragend klingenden Melodie des Geigenspiels wirken die meisten Stücke sehr sehnsüchtig nach Harmonie und versprühen eine geheimnisvolle Aura. Umso überraschender und unerwartet auch der häufige Stimmungswechsel.
Die Titel sind mit einem großartigen Spannungsaufbau komponiert, so dass man von einer mystischen und naturverbundenen Musik zu stark dynamischen Rhythmen getragen wird, die oft an den Sound der früheren Tristania-Scheiben erinnern. Oft steigert sich der Spannungsaufbau, unterstrichen durch heroischen Chorgesang und gezielte Drums, was dazu führt, dass man auch von Epic Metal geprägte Abschnitte zu hören bekommt. Wobei die abwechslungsreichen Gitarrensoli und die gegrowlten Gesangspassagen von Nikolay eine schleppende Spannung verhindern und die Songs nicht zu sehr in der epischen Sagastimmung versinken lassen, was den Melodien wiederum die passende Rauheit verleiht. Zum Gesang von Elitsa bleibt mir nur zu sagen, dass sie mit einer durchaus starken, gefühlvollen Stimme überzeugt. Gekonnt meistert sie den immer wiederkehrenden Wechsel von lauten und leisen Tönen, wobei ihre Stimmfarbe eindringlich, doch bei den ruhigeren Passagen der Songs nicht aufdringlich erklingt. Dieses ganze Spektakel hier erinnert durchaus an Nightwish, aber mit einer sehr eigenen und leicht folkigen Note.
„The Forgotten Song“ überzeugt auf der gesamten Spiellänge durch abwechslungsreichen, stimmungsvollen und stark gefühlsbetonten Metal. Sowohl der Gesang, die Instrumente, wie auch das Grundkonzept präsentieren sich mit vielen Gegensätzlichkeiten, die trotzdem durch einen harmonischen Liedaufbau, oft mit unerwarteten Stimmungs- und Soundwechseln ausgestaltet sind. Das Album ist als ein perfektes theatralisches Musikwerk inszeniert und absolut überzeugend. Eine unerwartete Kombination, die man zweifelsfrei als gelungen bezeichnen muss. Und auch wenn wir (mit gewollter Absicht) kein auf Punktevergabe beruhendes Bewertungssystem haben: Dieses, auch handgreiflich als ein schönes und wirklich sehr dekoratives Digipak produziertes Album würde die Höchstwertung verdienen!