Auf nahezu jedem Berg des Bayerischen Waldes war ich schon gewesen. Sogar mehrfach. Des Öfteren gelangte ich über die Grenze, welche meist nur wegen der „Pozor“-Schilder auffällt, nach Tschechien und damit in den Šumava, den vielleicht noch etwas wilderen und unberührteren Bruder des Bayerwalds. Natürlich sind gerade die höheren Berge schon längst erschlossen, was dank des Eisernen Vorhangs oft auch zu militärischen Zwecken geschehen ist. Kennt man die Radarstationen am Hohen Bogen, kann man auf tschechischer Seite das Pendant Poledník mit einem ähnlichen Turm schon aus der Ferne erkennen.
Heutzutage ist es natürlich kein Problem mehr beim Wandern einen Abstecher nach Tschechien zu machen. Wenn man sich vom Dreisessel aus in Richtung des Bayerischen und Österreichischen Plöckensteins macht, kann man von dort noch über das Adalbert-Stifter-Denkmal hinab zum Plöckensteiner See wandern. Von dort aus sind es gerade einmal noch dreizehn Kilometer zum Moldaustausee, und von dort wiederum ist es auch nicht mehr allzu weit nach Krumau. Zu entdecken gibt es unendlich viel, Natur, Landschaft, Kultur, alles ein wenig von den fast fünfzig Jahren der europäischen Teilung und dem langsamen Zusammenrücken der einzelnen Länder geprägt.
Es erscheint also nicht völlig aus der Welt, dass die Österreicher Alastor ihr viertes Album dem tschechischen Nachbarland widmen, letztendlich verbinden beide Länder eben nicht nur eine teilende Grenze, sondern auch viele Gemeinsamkeiten. Schon erstaunlich, wie verknüpfend eine eher raue und karge Musikrichtung wie der Black Metal am Ende sein kann. Doch so unwirtlich schallt das Album ohnehin nicht. Eher gediegen, melancholisch, dank flirrender Melodien, welche sich sehr angenehm ins Ohr schmiegen. Abwechslungsreiche Drums bieten zwischen nordischer Raserei und thrashigen Ausflügen auch gelegentliche Ruhephasen, welche das Songmaterial auflockern. Die Produktion ist dabei ordentlich druckvoll, transparent und versprüht unbändige Spielfreude. Das Geschrei A. Sethnachts klingt in aller Harschheit äußerst passend und gibt den fließenden Stücken die nötige Härte mit. Spannend, wie ein Stück wie „Silva – The Wild Hunt“ erst etwas unspektakulär losspurtet, um im Lauf immer weitere Höhepunkte ansammelt. Großes Songwriter-Kino. Einziger Kritikpunkt meinerseits wäre, dass auf 50 Minuten dann doch etwas zu wenig Überraschendes passiert. Das ist jedoch Meckern auf höchstem Niveau. Wer melodiereichen, rasenden Black Metal mag, wird an „Šumava“ nicht vorbeikommen!
„Šumava“ ist zunächst digital über Bandcamp erschienen. Die ausnehmend hochwertige LP-Version in waldgrünem Vinyl ist auf hundert Einheiten limitiert und enthält zusätzlich ein Poster. Unbedingt zugreifen, das schmucke Stück könnte ziemlich schnell ausverkauft sein!