Während „Öffnung“, die zuletzt erschienene EP von Convictive, zappenduster ausgefallen ist, orientiert sich das von langer Hand geplante Debütalbum „Schemen“ glücklicherweise etwas mehr an der Demo-Aufnahme „Blutnacht“. Heißt konkret so viel wie: Das Licht bleibt nach wie vor aus, aber hier und dort schimmern einige akustische Sonnenstrahlen durch. Der erste Song „Hoffnung“ ist ein Paradebeispiel dafür. Im schwarzmetallischen, vorwärts gepeitschten Gitarrentsunami tauchen immer wieder, mehr hinter- als vordergründig platziert, zartgliedrige Melodiestrukturen auf, die ein absolut aufmerksames Zuhören erfordern. Convictives Schaffen könnte demnach als schemenhaft bezeichnet werden, was perfekt zum gewählten Albumtitel passt. Das bedeutet natürlich auch, dass man dieses Album nicht einfach so im Vorbeigehen in seiner Ganzheit erfassen kann. Begeht man dennoch diesen Fehler, wird man garantiert vieles verpassen. Ich habe auch länger als gewöhnlich gebraucht, um mich in die Welt von „Schemen“ intensiv hineinhören zu können. Letztendlich musste ich jedes Mal feststellen, dass ich anfangs doch so einiges überhört habe. Das Album wächst nämlich mit jedem Durchlauf mit. Ob gewollt oder nicht, so etwas ist stets ein wichtiges Attribut, das einer Übersättigung gezielt entgegenwirkt und der Langzeitmotivation zugutekommt.
Besonders packend, zumindest aus meiner Sicht der Dinge, ist der zweite Song „Verfall“, denn er hat so ziemlich alles, was Convictive im Kern ausmacht. Der mit Post-Rock-Einflüssen durchdrungene und auf der Basis des knüppelharten Schwarzstahls kreierte Sound ist sehr vielschichtig und komplex, er reicht von verhältnismäßig ruhig-verträumt (das jedoch fast ausschließlich bei den vier vorhandenen instrumentalen Intermezzos) über catchy galoppierend (wie z. B. bei „Utopia“) bis hin zu wirklich recht atmosphärisch und dem alles zerbröselnden Killerkommando. Man hat es hier also ordentlich mit einer recht unkonventionellen Mischung zu tun, weswegen sich Convictive nur schwer mit anderen Bands vergleichen lässt. Deshalb lasse ich es auch lieber ganz sein. Trotz dieser Verspieltheit kann die Band aber auch direkt auf den Punkt kommen, wie „Taufe“, mit gerade Mal dreieinhalb Minuten der kürzeste Song des Albums (die Instrumentalstücke außer Acht lassend), es gut beweist. Doch auch dieser „Geradlinigkeit“ zum Trotz stelle ich jedes Mal fest, dass Convictive definitiv keine Musik mit hohem Birnenschüttelfaktor spielen, sondern vielmehr eine sich nach Innen kehrende und dort implodierende Gefühlsdüsternis beschwören. Der thematische Fokus wird auch auf eine schmerzerfüllte Katharsis gerichtet, alles scheint sich um eine innere Zerrissenheit, die bis in den Tod hinein andauern kann, zu drehen. Negative Erfahrungen (wenn man es sich genau vor Augen führt, so identifiziert sich der Mensch doch stets vorwiegend über seine gemachten Erfahrungen, egal ob positiver oder negativer Natur) sind seit eh und je ein Dauerbrenner im Black Metal. Und mit Jalina hat die Ruhrpott-Bande eine wirklich ausdrucksstarke Frontfrau am Mikro, die es sehr gut versteht, dem Hörer diese wuchtige, unseren Zeitgeist mit eisernem Griff umklammernde Negativität in emotionsgeladenen Ausbrüchen verpackt glaubwürdig rüberzubringen. Gerade live (ich hatte schon zweimal das Vergnügen Convictive in Action zu erleben) wirkt Jalina wie eine Medusa, doch anstatt mit ihren Blicken zu versteinern, lässt sie mit ihrer Stimmgewalt die Zuschauer sich wieder regen.
Convictive ist mit „Schemen“ definitiv ein großer Wurf gelungen, auch wenn dies von vielen (ganz gewiss aus den oben genannten Gründen) so bestimmt nicht aufgefasst wird. Die Band ist zielstrebig, unermüdlich und verfolgt einen klaren Weg. Sie verfügt über klasse Gitarristen, einen präzisen wie kreativen Drummer und eine sympathische Frontfrau. Was der Band aus meiner Sicht fehlt, um auf der Bekanntheitsskala eine Stufe höher aufsteigen zu können, das sind ein paar markantere Breaks, vielleicht in Form von explodierenden Rifferuptionen, die für die unaufmerksameren Hörer, die ja bekanntlich die breite Masse ausmachen, einige die Orientierung erleichternde Wegweiser darstellen könnten. Ob man das nun möchte, das sei natürlich dahingestellt. Letztendlich ist Ruhm ein stark zerstörerisches Gift, dem kaum jemand etwas entgegen zu setzen hat, und der schon so einige gute Bands (und das trotz weiterhin anhaltenden hohen Verkaufszahlen) in die musikalische Belanglosigkeit katapultierte.