Von südamerikanischer Metal-Kunst bekommt man bei uns in Europa nicht wirklich allzu viel mit, was sicherlich damit zusammenhängt, dass die vielen, sich im Underground tummelnden Bands keine geeigneten und weitreichenden Möglichkeiten haben, um kontinuierlich auf sich aufmerksam machen zu können. Selbst das mit Metal-affinen Informationen aller Art zum Bersten gefüllte weltweite Netz bietet da keine wirklich große Abhilfe, denn als kleiner Fisch darf man sich in diesem übergroßen und weiten Teich auch irgendwie gänzlich verloren vorkommen. Heutzutage muss man als eine kleine, noch kaum bekannte Band das mühselige Promotion-Ruder so gut es geht selbst in die Hand nehmen und unaufhaltsam kräftig Gas geben, um überhaupt von irgendwem erspäht zu werden. Dies kann natürlich auf Dauer sehr, sehr mühsam sein, doch von Nix kommt definitiv Nix, und so darf man sich zumindest der Hoffnung, irgendwann vielleicht die richtigen Leute auf sich aufmerksam machen zu können, ganz und gar hingeben. Es ist ganz bestimmt viel besser als Band mit dem guten Gefühl, etwas unternommen zu haben, unterzugehen, als mit der Gewissheit, nichts versucht zu haben, oder? Ähnlich haben es sich wohl die drei Jungs der in Paraguay ansässigen Band Die At War bzw. D.A.W. gedacht, als sie sich auf ihren Namen festgelegt haben. Ihr allererstes Lebenszeichen ist die über das russische Label Depressive Illusions Records herausgebrachte Kassette „The Cold and Sombre Apocalyptic Wind“, die wahrlich einen grundsoliden Eindruck in meinen Ohren hinterlassen hat.
Das vor Ambient strotzende Intro „Preludium to Extinction“ hinter sich lassend wird hier direkt rebelliert. Und diese „Rebellion“ stürmt direkt mächtig und ohne groß zu fackeln nach vorne, um – wie hätte es auch anders sein können – alles in ihrer Hörreichweite abzufackeln. Die Gift speiende Stimme vom Sänger Ignaz tönt voluminös und herrscherisch über den rauen, wie kalte nordische Winde dahin fegenden Gitarren, während das Schlagwerk auf und ab donnert und ein dazu im Einklang stehendes Bildnis abgibt. Das ganz hoch lodernde Feuer wird aber erst ab der zweiten Spielminute angezündet, als das recht schnelle Tempo regelrecht heruntergefahren wird, um eine absolut phänomenal klingende, äußerst atmosphärisch zu Werke gehende Leadgitarre auf den erkämpften Thron zu begleiten. Derartige sehr stark emotional aufgeladenen Momente erwartet man eigentlich von den wirklich großen und namhaften Bands, jedoch sollte man sich ehrlicherweise eingestehen, dass man sie viel leichter bei den vielen kleineren, noch vor purer Leidenschaft brennenden Bands vorfindet. Wie im vorliegenden Fall eben. Doch dafür muss man sich auf eine mühselige Suche begeben, was viele schon im Vorfeld abschreckt. Wieso aber eigentlich, frage ich mich immer? Weil es wie immer ist: Man möchte gerne süße Früchte essen, aber diese nicht selber pflücken müssen. Und dann fragt sich jeder, warum die Welt den Bach runtergeht. Damit die faule Scheiße heruntergespült wird! Wir sind ja äußerst erfolgreich dabei aus der Welt ein bis zum Rand vollgeschissenes Klo zu machen. Aber das ist eine andere Geschichte…
Nach „Rebellion“ wird die Colossus-Trilogie, bestehend aus „Conviction“, „Strength of Freedom“ und „Victorious“ aufgefahren, die wie eine feste Einheit bzw. eine unüberwindbare Felswand das kleine Tape dominiert. Harte Riffs treffen hier auf Anflüge von Melodie, an denen man sich als Hörer festklammern und immer höher emporklettern kann. Eine wirklich sehr solide und vorbildliche Arbeit, welche aber von den beiden nächsten Tracks noch leicht überboten wird. In seiner Gänze ist „The Conquest of Power“ für mich das stärkste Lied des Albums. Eine harmonisch helle, mich augenblicklich an altägyptische, von Geheimnissen verhüllte Klänge erinnernde Gitarre macht hier den Sack direkt zu. Wahrscheinlich wird da nicht jeder mit mir übereinstimmen, doch für mich ist die Sache hier ganz klar: Der Song ist der Winner auf diesem Album. Auch wenn „Era of Decadence“ da fast gleichwertig mitzieht. Aber was erzähle ich hier noch länger. Zieht euch das Tape einfach mal rein! Am Ende des Jahres bzw. zu Beginn des nächsten wird „The Cold and Sombre Apocalyptic Wind“ auch auf CD über ein mexikanisches Label veröffentlicht werden. Sollte man sich vormerken! Eine Metal-Band aus Paraguay, die wirklich nordischer als so manch eine nordeuropäische Kapelle herumwerkelt, kriegt man nicht alle Tage auf den Plattenteller serviert.
Ach ja, und das noch: Die Reihenfolge der digitalen Bandcamp-Ausgabe des Albums ist eine andere, und auch der letzte Song „Passage to Immortality“ fehlt dort. Also doch besser ein Exemplar der auf 66 Einheiten limitierten, physikalischen Tape-Version ergattern!