Man wird ja des Öfteren belächelt, wenn man dem Black Metal eine gewisse Nähe zur klassischen Musik attestiert. Liegt zum einen daran, dass der keifende Gesang sowieso als nicht wertig erachtet wird, zum anderen an der klassischen Metal-Instrumentierung, welche die melodischen und strukturellen Parallelen gut zu verschleiern vermag. Sollte dann noch Rausch- und Rumpelproduktion das Soundbild noch ins Diffuse zerren, bleibt man argumentativ durchaus auf der Strecke.
Anhand lautmalerischer, fließender Melodien und der reichhaltigen Abwechslung mancher Stücke, lässt sich dennoch der Spiegelstrich ziehen. So konnte man in den 90ern anhand einer Band wie Obtained Enslavement erahnen, wie klassisch inspirierter Black Metal klingen kann. Dass Mainstream-Bands wie Dimmu Borgir und Satyricon mit Klassik kokettieren und Live-Alben mit Orchester einspielen, hat dabei aber mit klassischer Musik nur wenig zu tun. Die klassischen Elemente und Instrumente wirken auf das starre Black-Metal-Gerüst aufgeklebt, beinahe als eine Art Fremdkörper, der für sich allein Wertigkeit erlangen könnte, zusammen mit der Band aber nur als eine Art „teures Keyboard-Ersatz“ fungiert. Könnte man sich also auch sparen, Zeit und Aufwand sind es bei diesem Endergebnis dann tatsächlich nicht wert.
Es ist eben doch ein Unterschied, ob klassische Instrumente bei der Erschaffung der Musik direkt involviert waren, oder ob die Musik rein auf Metal-Basis erschaffen wurde, welche letztendlich danach noch etwas klassisch aufgepeppt wurde.
Womit wir schließlich nach diesem Exkurs doch noch auf Ferndal zu sprechen kommen, welche diesen klassischen Aspekt eben nicht drüber stülpen, sondern eindeutig als kompositorische Maxime nutzen, um Stimmungen zum Fließen zu bringen. Rein auf die Melodien bezogen kann man dabei tatsächlich die Handschrift von Obtained Enslavement herauslesen, wer sich noch an „Witchcraft“ und „Soulblight“ erinnern kann, wird auch hier die fließenden, stellenweise durchaus anspruchsvollen und bisweilen schwer nachvollziehbaren Melodiebögen erkennen können. Um sich auf „Singularitäten“ einlassen zu können, benötigt man Zeit und vor allem weit mehr als die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches, sonst wird man schnell zurückgestoßen und erkennt letztendlich das große Ganze nicht mehr, denn vor lauter Melodien, Abschnitten, Veränderungen die Übersicht zu behalten, erfolgt erst nach mehrmaligem Hören. Letztendlich ein herrlicher Gegensatz zu unserer schnelllebigen Welt, in der ein Lied nach drei Minuten vorbei sein muss, und wenn es dann beim ersten Mal nicht im Ohr ist, einem das Nächste vorgesetzt wird. So wirkt „Singularitäten“ überwiegend entschleunigend.
Eine gewisse Ehrerbietung zum norwegischen Black Metal darf man in Ferndals Musik auf alle Fälle erkennen, so wirken die melodiereichen Wendungen nordisch inspiriert, verbinden sich mit kammermusikalischen Abschnitten, welche den Hörer in all ihrer Intensität in ihren Bann ziehen. Wohlgemerkt, sollte man sich darauf einlassen können. Glücklicherweise schaffen es Ferndal genügend elegische Momente einzubauen, die auch den Otto-Normal-Hörer überzeugen können, sich mit dem Material eingehend zu beschäftigen. Dennoch dürfte nicht jeder den Zugang zu „Singularitäten“ finden.
Ähnlich zentral wie Windirs „Arntor“ auf dem Debüt, steht hierbei das „Klavierquintett in E-Moll, Mother North, Op. 2.5“, welches den kammermusikalischen Ansatz Ferndals in Gänze auf Satyricons Vorzeigesong überträgt und dem Stück neben der bekannten Melodie ganz eigene Aspekte an die Hand gibt. Plötzlich merkt man tatsächlich, wie weit fortgeschritten die Verbindungen zwischen zweier Welten sein können, so wirkt das Klavierquintett als Übergang in eine andere Dimension, welche Ferndal in den restlichen Stücken jedoch nicht völlig überschreiten. Die Band bleibt dem Black Metal treu, auch „genrefremde“ Streichinstrumente wirken passend eingebettet in die bis zu neun Minuten langen Songs, welche vom eher gewöhnlichen Gesang angenehm begleitet werden. Eine ausufernde Gesangsperformance würde den Stücken wohl das Musikalische rauben, letztendlich transportiert der Keifgesang textliche Fragmente, welche weniger tiefgreifend als schlichtweg Atmosphäre-schaffend anmuten. So ließe sich anhand des Albumtitels interpretieren, dass jedes der Stücke inhaltlich für sich steht, im musikalischen Zusammenspiel jedoch ein großes Ganzes ergeben könnte.
Absolut zuträglich ist dabei die warme Produktion, welche jedem Instrument viel Raum zum Atmen verschafft, besonders die Streichinstrumente wirken dadurch eben nicht angeklebt, sondern stimmig in den Gitarrensound mit eingebettet. Man merkt, ich bin recht begeistert von der Platte, was durch den durchaus nostalgischen Charakter der Scheibe entsteht. Man kann sich nur schwer daran satthören, dennoch weiß ich jetzt schon, dass „Singularitäten“ viel zu selten aufgelegt werden wird. Aber ich weiß auch, dass ich diese Platte wie einen guten Wein genießen und ihr den Raum geben werde, den sie verdient. Lieber eine Platte selten und mit Genuss hören, als sie irgendwann tot gehört zu haben. So wird Ferndals „Singularitäten“ mit Sicherheit ein auf lange Sicht wertvolles Album bleiben.