Hænesy – Mortals

Hænesy - Mortals

Der erste Eindruck ist oft einer, den man so schnell nicht mehr los wird. Er muss nicht schlecht sein, besitzt jedoch in vielen Fällen die Eigenschaft, sich wie eine Gehirnschnecke festzusaugen und keine völlig neutrale Sicht auf die Dinge mehr zuzulassen. So ähnlich erging es mir beim Debüt „Mortals“ der ungarischen Einzelkämpferband Hænesy. Die mit lediglich drei Songs recht kurze, aber nicht minder eindrucksvolle Scheibe, beginnt mit ein paar atmosphärischen Klängen, die mich in meiner Erinnerung zur Titelmelodie der 1990er Mystery-Serie „Twin Peaks“ führte. Und das trotz einer eindeutigen Andersartigkeit der Melodie.

Erste Eindrücke müssen nicht immer Sinn ergeben – ich kann aber zumindest versuchen damit zu arbeiten. Und wenn ich ehrlich bin und mich darauf einlasse, dann fügt sich irgendwie doch alles zu einem passenden Gesamtbild. Die düstere Atmosphäre, welche bereits das Cover ausstrahlt. Die kalten, beinahe lichtlosen Melodien. Und die urgewaltige Brutalität von Gitarre und Schlagzeug. All dies deckt sich wunderbar mit dem Eindruck, dass in der Finsternis etwas Mysteriöses und Gefährliches lauert; jederzeit bereit zuzuschlagen. Allein die markerschütternden Schreie, die wie das verzweifelte Rufen einer zutiefst gequälten Seele klingen, machen einen Großteil der schaurig-geheimnisvollen Atmosphäre dieser EP aus. Als kleines i-Tüpfelchen setzen Hænesy auf dezente Melodien, die vor allem in den beiden Songs „Gloominess“ und „Forgotten by Mortals“ zum Einsatz kommen. Genau diese kleinen Momente treiben mich in Gedanken immer wieder in die Welt von Mystery-Serien wie „Twin Peaks“ oder meinetwegen auch „Stranger Things“. Dabei werde ich jedoch das Gefühl nicht los, dass ich bei all diesen nerdigen Serienvergleichen mit „Buffy – Im Bann der Dämonen“ wohl besser beraten wäre. Wenn ich mich nicht täusche (und ich bin mir fast sicher, dass ich das tue), dann zeigt das Cover von „Mortals“ das Touristen oft als Dracula-Burg präsentierte Schloss Bran – ein Hinweis darauf, dass sich Vampire zwischen den Zeilen dieser EP oder vielleicht auch ganz offen tummeln? Weder ist mein ungarisch gut genug, noch habe ich irgendwo die Texte der Songs auftreiben können, um diese Vermutung zu untermauern. Der EP würde das Thema Vampire aus meiner Sicht aber ganz gut stehen. Die restliche Instrumentalisierung folgt recht bekannten Black-Metal-Pfaden, wirkt in ihrer Schnörkellosigkeit aber weder aufgesetzt noch langweilig. Im Gegenteil, alles andere würde nicht zur Stimmung passen.

Henrik Sándor, der Kopf hinter dem Projekt Hænesy, sagt über sein Werk selbst, das es als Experiment im Bereich des atmosphärischen Black Metals angedacht war. Nun, ich würde behaupten, dieses Experiment kann man gut und gerne als gelungen bezeichnen. Die bereits erwähnten Stücke „Gloominess“ und „Forgotten by Mortals“ stellen die unbestrittenen Highlights auf „Mortals“ dar. Die abwechslungsreichen Stimmungswechsel erzeugen Spannung. Ein wenig im krassen Gegensatz dazu steht „Live Through the Collpase“, das viel mehr den Eindruck von unberührtem Black Metal hinterlässt und weitestgehend auf schmückende Zusätze verzichtet. Dennoch schafft es auch dieser Song, einige unter der Oberfläche lauernde Melodien zu erzeugen, die sich dem monotonen Prügeln des Schlagzeuges entgegenstellen. Mit gerade einmal 23 Minuten Spielzeit ist „Mortals“ bei weitem kein Langspieler. Dieses kurze Werk vermag es trotzdem, Eindruck zu schinden.

Eine letzte gute Nachricht gibt es noch zum Schluss: Das erste Album in voller Länge mit dem Titel „Katruzsa“ steht bereits als Pre-Order in den Startlöchern. Der eine Song, den man bereits auf Bandcamp probehören kann, klingt vielversprechend. Ich bin gespannt, was das unter anderem ungarische Mythen behandelnde Album letzten Endes zu bieten haben wird.