Haven – Anima

Haven - Anima

Zusammen mit einem kurzen Brief von Drummer Sergey Mareyno landete die CD „Anima“ der Berliner Combo Haven in meinem Briefkasten. Ein kurzer Blick auf die Einflüsse und Inspirationen der Post-Metaller offenbarte mir sofort ein Best-of meiner eigenen Vorlieben: Von Amenra, A Perfect Circle und Dredg ist da unter anderem die Rede. Mit einem wässrigen Mund landete die ansprechend aufgemachte CD mit schwarzer Rückseite in meinem Player, und während ich das stimmungsvolle sechsseitige Digipak und die darin abgedruckten Texte in mich aufsaugte, liefen die ersten Sekunden eines eigenwilligen und höchst musikalischen Werkes durch die Studioboxen.

Die CD startet mit dem Intro „Amends“, in dem die Band beschwörend die Aussage „We need to turn to each other“ festhält. Zerbrechlicher, wunderschöner Cleangesang zu drohenden, bassigen Synth-Wänden und fragiler Melodiebegleitung lassen wirklich sofort Amenra vor dem geistigen Auge auftauchen, nur das „Amends“ transparenter klingt. Gänsehaut!

„Babel“ verschmäht die Anbiederung an Glaubensführer und Idole, so geht der Song auch deutlich intensiver zu Werke als es das Intro erwarten ließe. Die Cleanvocals klingen nach Tool- und A-Perfect-Circle-Sänger Maynard James Keenan mit einer Prise Alice in Chains und einem doch ganzen eigenen Timbre. Der Gesang wird immer wieder von manischen Schreien unterbrochen und stilvoll von einer wahren Riff-Lawine getragen. Der Siebenminüter gibt sich angenehm kurzen elegischeren Parts auf der Suche nach einer verborgenen Wahrheit hin und offenbart die große musikalische Klasse der Berliner. Die Explosion am Ende des Songs gleicht Amenra auf Speed, die Schreie gehen durch Mark und Bein und beschließen eine Achterbahnfahrt der Emotionen.

„Agrestes“ rangiert ebenfalls bei etwas über sieben Minuten und greift die Idolverehrung auf, um diese vor dem Hintergrund der Herdenmentalität und der Unersättlichkeit der Massen zu beleuchten. Ab knapp 1:35 packt die Band die große Groove-Keule aus und zeigt, dass anspruchsvolle Musik auch den Nacken bewegen kann. Haven zeigen hier noch mal ihre ganze musikalische Finesse: Drummer Sergey spielt kraftvolle, treibende Fills mit einer derartigen Verve und Energie, dass man den Kopf nicht stillhalten kann. Die beiden Gitarristen Robert und Arne zaubern einen filigranen Klangteppich, Fernandas Bass groovt taktsicher und songdienlich, und Sänger Norman sorgt abermals für punkt-gesprenkelte Haut beim Zuhörer.

Alles mündet in der Dunkelheit von „Shadow“. Das einminütige Outro beschließt die wundervolle EP mit einem entspannten und leicht beklemmenden Klangteppich, bevor die CD abrupt endet und man sich fragt, wann man das letzte Mal von einer Post-Metal-Band so gut unterhalten und abgeholt wurde.

Das wunderschöne und limitierte Digipak (100 Einheiten) solltet ihr euch nicht entgehen lassen, wenn ihr auch nur entfernt etwas mit Isis, Tool, A Perfect Circle, Amenra, den Deftones oder ähnlichen Bands anfangen könnt. Danke für die Klangreise Sergey!