Bevor wir lange um den heißen Brei reden, sehen wir den Tatsachen lieber direkt ins Auge: Die 2019er EP „Mahtaja“ der Folk-Metal-Band Kultasiipi lässt mich zwiegespalten zurück. Das liegt allerdings (und hier muss ich gleich ein kleines „leider“ einfügen) nicht daran, dass mich Kultasiipi mit einem gekonnten Hieb ihrer musikalischen Streitaxt eiskalt erwischt und in zwei Hälften geschlagen haben. Es liegt vielmehr daran, dass es mir schwer fällt, mir eine endgültige Meinung über diese für eine EP wahrlich randvoll gepackte Scheibe zu bilden.
Berlin ist auch nur ein Stück Finnland
„Mahtaja“ ist die mittlerweile dritte Veröffentlichung von Kultasiipi, die – und das kommt tatsächlich ein wenig überraschend – gar nicht in Finnland sondern in Berlin beheimatet sind und trotzdem beinahe alle Songs in finnischer Mundart vortragen. Dafür, dass die nordische Sprache keinem der Bandmitglieder von Geburt an in die Wiege gelegt wurde, verneige ich mich vor dieser Leistung, denn rein sprachlich klingt „Mahtaja“ so, als hätte es eine Truppe nach Norddeutschland emigrierter Finnen eingesungen. Das gilt sowohl für die stimmigen, tief grölenden männlichen, wie auch für die beinahe ebenso stimmig eingesetzten, weiblichen Gesangsparts.
Als grundsätzlich solides Folk-Metal-Album macht die Scheibe eine ganze Menge richtig. Dabei honoriere ich, dass Kultasiipi scheinbar um eine Portion mehr Ernsthaftigkeit bemüht sind und weniger um einen Partyfaktor, welchen man bei manch anderen Folk- oder Viking-Truppen sehr ausgeprägt vorfindet. Auch, wenn das durchaus Tavernen-taugliche „Taivas on sininen ja valkoinen“ in genau diese Richtung zu verweisen scheint. Aber Ausnahmen bestätigen ja oft die Regel.
Was mir hingegen in weiten Teilen fehlt, ist der Druck auf dieser EP. Versteht mich nicht falsch: Folk kann ganz gut auch ohne hämmernde Drums und Gitarren auskommen. Kultasiipi sind aber eher weniger an der sanfteren Gangart interessiert, wie sie beispielsweise bei einer Gruppe wie Kaunan anzutreffen ist. Und wer sich für einen härteren Weg entscheidet, muss auch liefern. Das heißt natürlich nicht, dass „Mahtaja“ eine Pille zum Einschlafen ist; aber so ein Quäntchen mehr Power würde insgesamt nicht schaden. Ich brauchte auch ein paar Anläufe, um mit den fiedelnden Flöten warm zu werden. Fand ich sie anfangs noch eher störend, muss ich nach wiederholtem Hördurchlauf gestehen, dass ich sie als einen angenehmen Kontrast empfinde. Das mag nicht wahnsinnig ausgefallen sein, ist aber trotzdem guter Genre-Standard. Ab der zweiten Hälfte nimmt „Mahtaja“ noch einmal ordentlich an Fahrt auf und die Band zeigt hier viel besser, was in ihr steckt, finde ich.
Eine Mär von Schamanen und Skifahrern
Über das hinter der EP steckende Gesamtkonzept der Geschichte eines nordischen Schamanen aus Lappland und seine guten und schlechten Taten kann man ebenfalls geteilter Meinung sein. Ich persönlich bin ein Freund von Konzeptalben, auch wenn es mich an dieser Stelle nicht aus den Socken gehauen hat. Das liegt aber eher daran, dass die Songs auch ohne Konzept sehr gut funktionieren und ich die Songtexte (in der englischen Übersetzung natürlich, denn mein Finnisch ist nicht sonderlich gut) wenig ansprechend finde. Ganz amüsant ist, nebenbei bemerkt, der einzige deutschsprachige Song der EP mit dem klangvollen Namen „Tod auf Skiern“ – den ich ehrlich gesagt nicht so ganz in das zugrundeliegende Konzept einordnen kann. Aber gut, ein Schulterzucken haben schon ganz andere Metal-Scheiben bei mir erzeugt.
Am Ende bin ich, wie bereits eingangs erwähnt, zwiegespalten. Ich kann „Mahtaja“ nicht absprechen, mich gut unterhalten zu haben. Und darauf kommt es im Grunde doch an, oder? Wie auch immer, mit einer Spur mehr Druck könnte ich insgesamt noch glücklicher werden. Und wenn die Band es noch geschafft hätte, die großartige Atmosphäre aus dem Intro „Noidan synty“ und dem Outro „Loppusanat“, welche die EP einrahmen, großflächig einzusetzen, wäre ich vollends begeistert gewesen. Dennoch, ein Reinhören ist auf jeden Fall zu empfehlen. Nicht nur, um sich eine eigene Meinung zu bilden, sondern auch, um sich davon überzeugen zu lassen, dass selbst Berliner echtes Finnland-Feeling erzeugen können.