Die, rein optisch betrachtet, relativ undurchschaubare EP „Incandescente“ von den Franzosen Malenuit ist bei mir so überraschend wie eine Bombe eingeschlagen. Anhand des schönen Artworks mit der finsteren, vom weißglühenden Mond und dunklen Wolken umrandeten Kathedrale mit der vordergründigen Darstellung der Sängerin, Texterin sowie Komponistin Audrey Sylvain (früher unter anderem bei Amesoeurs aktiv), wusste ich diese CD erst gar nicht so richtig einzuordnen. Post-Black Metal war mein erster Gedanke, womit ich vielleicht nicht ganz so falsch lag. Aber auch nicht wirklich ganz richtig. Das über Antiq veröffentlichte Digipak ist zumindest auf der instrumentalen Ebene teils genug rockig bis hin ins Post-Black-Metallische abschweifend, teils aber auch stark neoklassisch gefärbt. Die erste Minute des Eröffnungsstückes „Litanies“ lässt uns zunächst mittels Piano- und Orgelklängen wie auf Engelsflügeln in himmlische Sphären emporsteigen – was einfach nur genial in meinen Gehörgängen mündet – und schlägt dann in einen sanften Gothic Rock um, der hier vor allem von Audreys neoklassizistisch anmutendem, stark melodietragendem Gesangsstil, wie er zum Beispiel auch oft in den Dark-Wave-Ausrichtungen vorzufinden ist, und dem Piano getragen wird. Erst bei „Gemmes de Nuit“ ertönen härtete Klänge, Schlagzeug und E-Gitarre klatschen mit den klassischen Instrumenten ab, es wird temporeich gerockt, bis die Fahrt abrupt endet und man quasi wortwörtlich im Regen stehengelassen wird. Mit „Mémoires d’outre Auvergne“ und darauffolgendem „Gerbe de Nuit“ kommt die EP zu ihrem Höhepunkt. Die Erinnerungsreise ist ähnlich dem Opener ein die Seele ganz sacht berührender Song, der noch mit einem eindringlicheren und sogar zweistimmig arrangierten Gesang die luftige, einen Hauch von Nichts offerierende Atmosphäre auf die Spitze treibt. Vom Melodiegefühl her werden hier quasi mit einer nicht existenten Bergsteigerausrichtung wahnsinnig hohe Gipfel erklommen. Dasselbe gelingt bei „Gerbe de Nuit“ mit gleicher Leichtigkeit, obwohl dieser Song stark konträr ist, weil er die schwärzeste sowie metallischste Seite von Malenuit darstellt. Dennoch, er ist extrem groovy und geht wie Dextro Energy direkt ins Blut über. Die klaren, sehr deutlich ausgesprochenen französischen Lyrics kommen hier noch viel intensiver zur Geltung, was auch mit der Aufnahme (oder dem Mastering) zusammenhängt, denn sie klingen irgendwie verhallt, fast so, als ob sie über dem Rest schweben würden. Vielleicht wurden sie auch passenderweise in einer (auf dem Cover dargestellten?) Kathedrale aufgenommen. Kann ich mir zumindest sehr gut vorstellen; das würde auch absolut gut zum Gehörten passen. Wahrhaft eine tolle Komposition von Thibault Syl, dem Hauptkomponisten (wenn ich es richtig deute) und der zweiten Person hinter diesem Projekt, und Audrey! „Guérilla“, der finale Track, komprimiert nochmals die Essenz des zuvor Dargereichten zu einem einzigen langen Ambientstück, in dem noch einige weitere Elemente, wie etwa Trompeten oder Sprechgesang, verarbeitet werden.
Malenuit bieten auf Ihrem Erstling eine außergewöhnliche Mischung aus sanften sowie hart anschlagenden Tönen, das aber dermaßen ausgewogen kredenzt, dass das Gesamtwerk auf einem sehr soliden Fundament fußt. Da sich das Ganze auch einer eindeutigen Kategorisierung entzieht, wobei ich hier vom neoklassischen Metal sprechen möchte, rate ich jedem da mal selbst reinzuhören. Es lohnt sich!