Sich stark abgrenzende Alleinstellungsmerkmale sind in der großflächigen schwarzmetallischen Musiklandschaft wahrlich nur noch selten auszumachen. Eine Formation, die sich mit so einem schmücken kann, hat sich den Namen Wintarnaht auf die Fahnen geschrieben. Der Bandname ist hier natürlich auch Programm, denn für ihre selbstverfassten Lyrics bedient sich diese aus dem süddeutschen Raum stammende Band als einzige der althochdeutschen Sprache. Und da uns Wintarnaht nebst ihrer brandaktuellen Veröffentlichung „Germinôd – Archaische Verse“ auch noch mit dem 2013 erschienen Longplayer „Tôdhên Uoþal“ bedachte, werde ich auch diese ältere Aufnahme zunächst etwas näher beleuchten.
„Tôdhên Uoþal“ beginnt mit einem sehr theatralisch vorgetragenen Intro, in dem man sich (zu Recht) über die zahlreichen Widersprüche in den Lehren des Christentums und die daraus hervorgegangenen und heute unter den Tisch gekehrten Greueltaten auslässt. Und auch wenn das Christentum in unserer modernisierten Welt nur noch ein zahnloser Wolf im Schafspelz zu sein scheint, für den jahrhundertelang vorgelebten Schwachsinn wird man dieser von machthungrigen Menschen in falsche Richtung gelenkten Religion wohl noch ewig verbal eine klatschen wollen. Mit dem daran anknüpfenden Song zeigen uns Wintarnaht gleich sehr deutlich, aus welchem Holz sie geschnitzt sind, und spätestens bei dem dritten Song „Bluoþ Buohha“, was „Blutbuche“ heißt, gibt es gar keine Zweifel mehr: Es kann nur Schwarzdorn sein, denn pechschwarz sind die von der zweiten Welle des Black Metals inspirierten Gitarrenklänge, die mehr als nur einmal mit genialem Riffing (heraus)stechen. Über all dem donnern präzise gespielte Drums, und auch Bandgründer Grimwald überzeugt auf voller Länge mit einer variationsreichen Darbietung seiner Sangeskunst. Einige seiner Screams erinnern gelegentlich an Aaskereia, während die klaren Gesänge qualitativ denen von Menhir in nichts nachstehen, behaupte ich jetzt einfach mal, was speziell beim Titelsong „Tôdhên Uoþal“ bzw. „Sterbende Heimat“ und dem sich anschließenden, rein akustischen Song „Ânagift þer uuintar I“ bzw. „Anbeginn des Winters“ besonders positiv auffällt. Die regelmäßig eingestreute Auflockerung durch akustische Passagen oder Stücke gibt der Atmosphäre wie der Abwechslung insgesamt recht viel Raum zur Entfaltung. Zum Schluss wird hier noch der Falkenbach-Song „Winternight“, der hier zu „Uuintarnaht“ umbenannt wurde, gekonnt gecovert, bevor dieses Album mit einem kurzen Klimper-Outro verstummt. In der Gesamtheit ist „Tôdhên Uoþal“ eine wirklich sehr gelungene Scheibe, die mit jedem Durchlauf immer mehr wächst!
Das bei dem kleinen Underground-Label Narbentage Produktionen erschienene und auf nur 121 Einheiten limitierte Tape „Germinôd – Archaische Verse“ ist dagegen eine Compilation, welche dem Hörer einen relativ guten Überblick über die musikalische Bandbreite von Wintarnaht verschafft. So findet man auf der Nacht-Seite die komplette, bisher nur digital erschienene þiu-Sunnawenti-EP wieder, zusätzlich um ein neues kurzes Eröffnungslied sowie um einen neu komponierten Ausklang bereichert. Die zweite Tag-Seite ist dagegen rein akustisch, was in der Tat eine kleine Überraschung ist. Von den beiden Tôdhên-Uoþal-Songs „Ânagift þer uuintar I“ und „Alamana Lioþ“ mal abgesehen, gibt es hier noch drei weitere neue Songs, nämlich „Hildrûn inti Wynfreþ I“ und „Hildrûn inti Wynfreþ II“ sowie „Ascal Frost… Untargang“. Diese Songs sind vor allem durch die von der Band selbstgebauten germanischen Leiern geprägt, so dass man es hier mit einem speziellen und einzigartigen Black-Metal-Erlebnis zu tun bekommt, den man eigentlich schon der Folkmusik zuordnen könnte oder müsste. Gesanglich bewegt man sich hier selbstverständlich auch nur in klaren Sphären, durch welche die thematisierte, sich wie ein blutroter Faden ziehende winterliche Kälte noch zusätzlich hervorgehoben wird, z. B. bei den wie vom Schnee gedämpft tönenden Chorgesängen des letzten Tracks. Wer auf ganz eigene und unvergleichbare Metal-Musik steht, der sollte sich das Tape unverzüglich zulegen!
Wer nun neugierig auf diese archaische Black-Pagan-Metal-Band geworden ist, dem sei an dieser Stelle gesagt, dass Winternaht unser erstes, am fünften November stattfindendes Waldhalla-Konzert „Schwarzer Herbst“ mit ihrer Anwesenheit bereichern und zu einem ganz besonderen Event machen werden. Alleine schon aus diesem Grund sollte man sich diesen Termin vormerken und am besten direkt freihalten!